Was man alles erzählen könnte

SALZBURG MUSEUM / FISCHER VON ERLACH (2)

06/04/23 Vier Kirchen nach Entwürfen Fischers von Erlach gibt es allein in der Stadt Salzburg. Das spricht vor allem für den Kunstsinn des Fürsterzbischofs Guidobald Graf Thun. Fischer war nach seinem Rom-Aufenthalt nach Wien verpflichtet worden, zuerst als Architekturlehrer des Thronfolgers. Bald wurde er mit weiteren Aufgaben am Kaiserhof betraut.

Von Reinhard Kriechbaum

Was für Habsburger-Kaiser gut war, sollte wohl für den Hof des geistlichen Primas Germaniae billig sein. In Salzburg war offenbar noch so manche Baulücke mit Kirchen zu füllen… Wie aber kam es zur fünften Kirche, auf der einsamen, eng eingeschnittenen Hoch-Alm über Lofer, wo wintersüber viele Wochen lang kein Sonnenstrahl hinkommt? Ein Gotteshaus dort hätte man wohl billiger haben können als vom Stararchitekten des Wiener Kaiserhofs!

Der Auftrag für Maria Kirchenthal, jetzt eine prominente Wallfahrtskirche in der Erzdiözese, kam so: Fürsterzbischof Thun ließ Fischer von Erlach in der Salzburger Neustadt den riesigen Priesterhaus-Komplex mit der Dreifaltigkeitskirche im Zentrum bauen. Das Gebäude diente als Priesterseminar und war zugleich „Wohnblock“ für Kleriker.

Von denen war aber bei weitem nicht jeder als Vorbild für die jungen Leute tauglich, die eine geistliche Laufbahn einschlagen sollten. Da gab’s solche, die dem Alkohol zu sehr zusprachen, und andere wieder haben es mit dem Zölibat nicht so genau genommen. Für sie war ein Ort weit weg von der Metropole gefragt – und so gab der Fürsterzbischof bei seinem prominenten Baumeister gleich auch Maria Kirchenthal in Auftrag: eine Kirche und ein Wohngebäude in einer gottverlassenen Gegend. Ein Verbannungsort, an dem die schwarzen Schafe geistlichen Standes kein Unheil anrichten konnten.

Gestern Mittwoch (5.4.) jährte sich der Todestag Fischers von Erlach zum 300. Mal. Da hätte man sich schon eine Ausstellung erhofft, die auch solche Histörchen und auch etwas von der Aura Salzburgs zu jener Zeit vermitteln würde, in der Fischer hier wirkte. Als Musiker waren damals Heinrich Ignaz Franz Biber und Georg Muffat an der Salzach. Der Maler Johann Michael Rottmayr war eben im Begriff, nach Wien zu übersiedeln und dort Karriere zu machen.

Es gäbe also genug Griffiges, womit man Ausstellungsbesuchern ein Tor zur Epoche auftun hätte können. Hier waren aber offenkundig ausschließlich Kunsthistoriker am Werk. Sie haben Zeichnungen, Druckwerke und Fotografien an die Wände geklatscht, und das war’s auch schon. Die Museumspädagogen werden in den nächsten Monaten hinlänglich zu tun haben, ihrem Publikum Zugänge zur Epoche und zum Schaffen Fischers zu erschließen.

Hat es sich wirklich gelohnt, aus dem Mirabellgarten eine tonnenschwere Sandsteinvase in die Ausstellung zu transferieren? Ja, stimmt schon, auf einigen Blättern Fischers sind solche Vasen zu sehen. Wäre es zu viel verlangt, in einer solchen Ausstellung griffig zu vermitteln, wie unglaublich beeindruckt ein Bildhauer-Eleve im 17. Jahrhundert vom Rom der Päpste gewesen sein muss? Ja, es hängen ein paar Fotos aus Rom da. Aufmerksamere Ausstellungsbesucher werden registrieren, dass Fischer die Fassaden der römischen Kirchen Sant’Agnese in Agone und vor allem San Carlo alle quattro Fontane in seinen beiden repräsentativsten Salzburger Kirchen zitiert. Die Erzähl-Unlust der Ausstellungsmacher ist jedenfalls verblüffend.

Dabei wär’s so einfach. Man könnte etwa berichten, dass Guidobald von Thun nicht nur in der Domkrypta seine letzte Ruhestätte gefunden hat, sondern einige wesentliche Teile seines Körpers sich in Kirchen seines Lieblingsarchitekten befinden: Das Gehirn kam in die Kollegienkirche, also ins Gotteshaus der Universität, wo helle Köpfe gefragt sind. Die Eingeweide sind sinnvolleweise in der Johannesspitalskirche beigesetzt. Und das fürsterzbischöfliche Herz kam in die Dreifaltigkeitskirche, denn dieses schlug ja für die Priesterausbildung.

Und noch eine Option hat man verschenkt. Seit Jahrzehnten wird auf dem Kommunalfriedhof eine Fischer von Erlach-Skulptur des Nazi-Bildhauers Josef Thorak sorgsam unter der Verschluss gehalten. Die Verantwortlichen schämen sich, dass dieses Stück der Stadt gehört.

Wäre nicht eine Schau wie diese eine gute Gelegenheit gewesen, diese riesige Gipsstatue mal herzuzeigen, sie wirklich öffentlich „zur Diskussion“ zu stellen? Das hätte gewiss auch Widerspruch erregt, würde aber allemal mehr Publikumsresonanz generieren als ein stinklangweiliges Garten-Dekorstück aus dem Mirabellgarten. Einfallen müsste es einem halt – und dürfen müsste man sich's getrauen… (Wird fortgesetzt)

Die Schau „Fischer von Erlach. Baumeister des Barock“ im Salzburg Museum läuft bis 8. Oktober – www.salzburgmuseum.at

 

Bilder: dpk-krie/klaba
Fischer und das Stadtbild – Viele barocke Zacken in Salzburgs Krone
Ein kurzer bioghraphischer Abriss – Das Leben