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Zelenka!

FESTSPIELE / COLLEGIUM 1704

22/07/19 Das Collegium Vocale 1704 und das Barockorchester Collegium 1704 aus Prag unter Václav Luks sind keine Unbekannten in Salzburg. Sie bestehen aus lauter Solistinnen und Solisten und zählen zu den aufregendsten und sympathischsten Kollektiven der Alte Musik-Szene.

Von Gottfried Franz Kasparek

Für die Matinee im Großen Saal des Mozarteums am Sonntag (21.7.) hatten sie vor allem Musik Jan Dismas Zelenkas im Gepäck. Zelenka, Sohn eines böhmischen Dorforganisten und Lehrers, wurde früher oft als „der Bizarre neben Bach“ bezeichnet, sofern man ihn überhaupt zur Kenntnis nahm. Der ewige Junggeselle, über den man nicht wirklich viel weiß, lernte auch bei Johann Joseph Fux in Wien und wirkte vor allem am Dresdener Hof als „Kirchen-Compositeur“. Und er gehört zu den großen Visionären der Musikgeschichte. Das Bizarre, Schräge, Ungewöhnliche in seiner Musik ist die phantastische Lust an gewagten harmonischen Experimenten, für damalige Verhältnisse halsbrecherischen Tonartwechseln und plötzlich aus dem alten italienischen Stil hervorbrechenden, exzessiven Läufen.

Die den zweiten Teil der Matinee erfüllende „Missa Omnium Sanctorum“, eine Art künstlerisches Testament von 1741, prescht weit in die Zukunft der Sakralmusik vor, überholt in etlichen Teilen spielerisch die gesamte Klassik und Romantik und öffnet gleichsam die Türen zu Janáčeks Glagolitischer Messe oder Poulencs „swingendem“ Gloria.

Besser, inspirierter, leuchtender, beseelter als Václav Luks und die Seinen kann man diese unglaublich moderne Musik nicht interpretieren. Auch nicht, im besten Sinne, musikantischer. Denn hinter Zelenkas Experimenten stecken mitunter hörbar ein mitreißender Furiant oder eine zünftige Polka. Und zwischendurch, zum Beispiel im traumhaft schönen Benedictus, betört der weite Atem slawischer Klanglandschaften, freilich aufs Feinste ziseliert. Und ganz nebenbei hat Zelenka mit betörenden Streicherfiguren hier gleich auch die „Minimal Musik“ erfunden. Was für ein Komponist! Mit dem lutherischen Kollegen Johann Sebastian war der katholische Tscheche gut bekannt, man schätzte einander. In der Dresdener Hofkirche und in Prag wurde er nie ganz vergessen. Doch so richtig kam sein Werk erst wieder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zum Vorschein. Und es verdient, auf einer Stufe neben Bach, Händel und Vivaldi zu stehen.

Im ersten Teil war Zelenkas Miserere in c-Moll erklungen, mit einem strahlenden Sopransolo von Helena Hozová und barockem Glanz zwischen zwei geradezu verstörend peitschenden, leidenschaftlichen Seitenteilen. Überhaupt seien hier genannt der eher dramatische Alt von Aneta Petrasová und der balsamische von Kamila Mazalová, der helle, energische Tenor von Václav Ćižek, der lyrische von Samir Bouadjadja, die charaktervollen Bassstimmen von Tomáš Král und Felix Schwandtke. Alle sind Mitglieder des Collegiums, alle könnten ein famoses Opernensemble bilden. Alle singen historisch informiert, aber mit Animo, echtem Gefühl und ohne asketische Trockenheit. Selbiges gilt für das Orchester und die Oboensolistin Katharina Andres.

Letztere hatte ihren großen Auftritt in Bachs im Vergleich zu Zelenka wohl geordneter, innig musizierter Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ im Mittelteil des Konzerts. Das Motto dieser „Ouverture spirtuelle“, Lacrimae, wurde damit gewürdigt. In Zelenkas Stücken führt die Klage direkt in den Expressionismus. Und eine Sequenz wie „Et in Spiritum Sanctum“ aus der Messe wirkt herrlich gesegnet mit höherem Humor – und ist ein „Schlager“ erster Güte. Damit bedankten sich Luks und seine Ensembles für die Standing Ovations, damit der „Heilige Geist“ alle nach Hause begleite.

Bilder: SF/Marco Borrelli

 

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