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Fliegen auf den großen Schwingen des Sehnens

FESTSPIELE / LESUNG / GÖTTLICHE KOMÖDIE

16/08/22 Große Schauspielerinnen und Schauspieler, echte Kapazunder ihrer Zunft, die Literatur lesen dürfen! Trotz Übersetzung ein Original, keine Dramaturgie-Anmaßung „frei nach...“ Schauspielchefin Bettina Hering hat die Göttliche Komödie – in der der modernen, frechen und oft überaus poetischen Übersetzung von Hartmut Köhler – klug eingerichtet.

Von Heidemarie Klabacher

Kürzen muss sein. Sonst säßen und läsen sie wohl immer noch: Verena Altenberger, André Jung, Ursina Lardi, Kathleen Morgeneyer, Jörg Ratjen, Devid Striesow und Angela Winkler. Sie lasen Dante Alighieri und führen Hand in Hand mit Vergil und Beatrice und all den anderen durch ein als Ganzes ja doch von den meisten recht ungelesenes Stück Literaturgeschichte. Zwar will fast jeder Komponist, der auch nur einen Stift halten oder ein Notenprogramm bedienen kann, irgendwann einmal Texte aus der Divina Comedia vertonen, und so stolpert man gelegentlich über die „Story“, auch wenn das Werk nicht von Berio oder Sciarrino ist. Den Dante-Vertonungen von Liszt oder Tschaikowski begegnet man öfter. Bezüge zur Göttlichen Komödie in der Bildenden Kunst gibt’s auch nicht wenig. Eigentlich gibt’s in der westlichen Kultur nicht viel, wo nicht irgendwo im Hintergrund Dante und Vergil höhlenforschen oder bergsteigen. Zuvor gelesen haben aber doch meist die anderen...

Wohl haben nun auch wieder „die anderen“ gelesen, eben vorgelesen. Und sie haben unglaublich nah herangeführt ans Werk. Frucht der Marathonlesung – ein Hörbuch muss her! Die obige Besetzung, auch wenn sie für eine Gesamtlesung wohl doch zu wenig Personen umfasste, wäre jederzeit wieder willkommen: So unaufdringlich und ungestelzt, so selbstverständlich natürlich (da hilft schon auch die gelegentlich fast flappsige, aber in einem recht natürlichen Fluss daherkommende Übersetzung) brachten sie den Text daher. Sie alle haben ihren jeweiligen Gesängen Stimmfarbe, Sprachduktus und Persönlichkeit verliehen. Haben ihren Schauspielerjob gemacht, und dies bei aller Zurückhaltung so klangfarben- und facettenreich, dass es trotz der verrückten Länge, der immer späteren Stunde nicht nur auszuhalten, sondern spannend blieb.

Wie auf Gemälden, wo auf der Seite der Verdammten auch immer mehr Action ist, als auf der langweilig elysischen Seite der Erlösten, wird es auch bei Dante immer unanschaulicher, je weiter es hinauf geht Richtung Paradies. Aber selbst diesen theoretischen Exkursen folgte man mit Aufmerksamkeit - und Erfahrungsgewinn. Dass die Beatrice den Dante dermaßen angezickt hat, war der Schreiberin dieser Zeilen beispielsweise so nicht bewusst.

Dass die Natur gut daran getan habe, die Erschaffung von Riesen einzustellen – angesichts von Nimrod und Epialtes – hat man mit Schmunzeln vernommen. Gehört und gleich nachgeschaut, wie das in Gesang 1/31 anderen Übersetzungen klingt. Die Feststellung, „so dickes Eis hatte selbst die Donau in Österreich noch nie“ als der Horror-See im tiefsten Höllenkern hat man eher bedrückt zur Kenntnis genommen. Wo doch grad unsere Gletscher verschwinden. Irgendwie macht sich jede Zeit ihre Höllen selber... Heutige Bergsteiger freilich müssten selber Hand und Fuß anlegen, an den Fels und den Läuterungsbeg würden sie nie schaffen. Das geht nur mittels „fliegen auf den großen Schwingen des Sehnens".

Bilder: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr
 

 

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