22/10/10 Welche Spuren hat die Religion in unserer Sprache hinterlassen? Jemand, der sich heutzutage "abgekanzelt" fühlt, wird kaum einmal eine Donnerpredigt von der Kanzel herunter vernommen haben. Solches ist ja spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verpönt.
Im 18. Jahrhundert ist das "Abkanzeln" im Sinne der Sittenpredigt in die Gemeinsprache übernommen worden. Besser als das "Abkanzeln" ist alleweil eine "Beweihräucherung". Deren religiöse Wurzel geht jedoch über die Geschichte der katholischen Kirche hinaus und knüpft an die altrömische Sitte an, dass Senatoren bei Eintritt in den Senat auf den Altar, neben dem Standbild der Göttin stand, Weihrauch streuten.
Ein "Adamskostüm" trägt man seit der Wende zum 20. Jahrhundert, und das war, wie alle wissen, keineswegs der Dernier cri in der paradiesischen Männermode, sondern eigentlich ein Unisex-Kleidungsstück. Auch Evastöchter können sich bekanntlich im Adamskostüm zeigen. Wer daraufhin "Gott der Gerechte!" ruft, ist schon wieder der sprachpraktischen Mission erlegen.
Marietta Calderon vom Fachbereich Romanistik an der Universität Salzburg ist eine der Organisatorinnen einer Linguistik-Tagung von 24. bis 26. Oktober in Graz. Historische und aktuelle Zusammenhänge zwischen Religion und Sprache sollen da beleuchtet werden. "Grüß Gott", "Gott sei Dank", "Dein Wort in Gottes Ohr": Religiöser Wortschatz ist tief im täglichen Sprachgebrauch verwurzelt, sei es in Grußformeln, Redewendungen, Metaphern oder in Ortsnamen. Mit der Beziehung von Religion und werden sich Sprachwissenschafter aus Europa sowie den USA, Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten beschäftigen. Brisanz vor dem Hintergrund der jüngsten Urnengänge verspricht ein Vortrag am 25. Oktober über die "Instrumentalisierung religiöser Entitäten im politischen Diskurs". (dpk-krie/Kathpress)