In Monarchiezeiten bestimmten die einzelnen Kronländer, ob links oder rechts zu fahren ist. In den meisten Ländern fuhr man links. 1932 legte ein Bundesgesetz für ganz Österreich ein Rechtsfahrgebot fest, das jedoch nur in Vorarlberg, wo man traditionell rechts fuhr, und in Tirol umgesetzt wurde. Grund dafür war der Rechtsverkehr in den Nachbarländern Deutschland und Italien. Auch im Salzburger Pinzgau hat man verkehrstechnisch auf die Nachbarn Rücksicht genommen: Darum war Salzburg ab diesem Zeitpunkt straßenverkehrsrechtlich zweigeteilt: Im gesamten Bezirk Zell am See, im Gasteinertal und auf der Dientertalstraße fuhr man rechts, im Rest des Bundeslandes, wie im übrigen Osten Österreichs, links. In Lend im Pinzgau war die Grenze für den Fahrstreifenwechsel – was weiland für Verwirrung und erste Unfälle gesorgt hat.
Vom solchen Kuriositäten erzählt die Reihe „Grenzfälle“ auf der Website des Bundeslandes Salzburg: Auf der „Plattform für die Europaregion“ wurde heute Mittwoch (8.1.) ein solcher neuer „Grenzfall“ veröffentlicht. Unter diesem Stichwort wird von rechtlichen und sonstigen Kuriositäten erzählt, die sich aus der Grenzlage des Bundeslandes ergeben. In Buchform sind die „Grenzfälle“ ebenfalls erhältlich, drei Folgen sind bereits erschienen und können kostenlos bestellt werden. Nun also ist der Grenzfall „vorgeschriebene Fahrtrichtung“ dran.
1895 tuckerte das erste Automobil, ein Benz-Viktoria, mit stattlichen fünf Pferdestärken durch Salzburg. Ganze drei Kilometer des 365 Kilometer langen Reichstraßennetzes in Salzburg waren damals gepflastert, der Rest geschottert. Ein Vierteljahrhundert später tummelten sich bereits 162 registrierte PKW, 126 LKW und 117 Motorräder auf Salzburgs Straßen, durch die Festspiele waren immer mehr Fahrzeuge im Sommer in Stadt und Land unterwegs. Der Tourismus war die Triebfeder des Straßenausbaus der folgenden Jahrzehnte, die Gaisbergstraße und Großglockner Hochalpenstraße etwa waren von Beginn an als Freizeitstraßen angelegt.
Abgesehen von einigen landwirtschaftlich genutzten Karrenwegen befand sich in Lend der einzige Straßenpunkt Österreichs, bei dem die Straßenseite gewechselt werden musste. Darauf wurde mit einem über die Fahrbahn gespannten viersprachigen Hinweisschild hingewiesen, das mit Strom vom angrenzenden Aluminiumwerk sogar in der Nacht beleuchtet wurde.
Anfangs habe die im Sprachgebrauch übliche Bezeichnung „Fahrtrichtungswechsel“ für Verwirrung gesorgt, heißt es, „da sich so mancher verunsicherter Verkehrsteilnehmer zum Umkehren aufgefordert sah“. In den Sommermonaten verließ man sich bald nicht mehr nur auf das – inzwischen umgeschriebene – Schild: Ab 1936 machte auch ein Mitarbeiter des Landesbauamts auf den Seitenwechsel aufmerksam.
Dennoch haben nicht alle den Wechsel auf die andere Seite der Fahrbahn unfallfrei geschafft: Trotz vergleichsweise geringen Verkehrsaufkommens kam es zu Unfällen mit Fahrzeuglenkern, Fußgängern und Radlern. Auch der Wagen des italienischen Festspiel-Stardirigenten Arturo Toscanini war dort 1935 in einen Unfall verwickelt.
Im selben Jahr wurde die Rechtsfahrordnung auch in Kärnten und Osttirol eingeführt, wodurch Fahrzeuge auch auf dem Katschberg einen Fahrbahnwechsel vornehmen mussten.
Die Teilung im Straßenverkehr dauerte bis Juli 1938, als mit Einführung der reichsdeutschen Straßenverkehrsordnung der Rest Österreichs und damit auch Salzburgs östlich gelegene Landesteile auf Rechtsverkehr umstellen mussten. Wien, Niederösterreich und das Nordburgenland folgten mit knapp dreimonatiger Verspätung. Seitdem fährt man in Salzburg und ganz Österreich rechts, sofern man sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet.
Auf der Schiene herrschten ähnliche Verhältnisse, dort gibt es bis heute keine einheitliche Regelung. Auf den meisten Strecken wird unterdessen rechts gefahren, so auf der Westbahn. Derzeit wird Stück um Stück die Südbahn umdirigiert. Seit 1909 wird jedenfalls in Österreich auch bei der Eisenbahn von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt. Und in Salzburg wird das Abdriften nach Links sowieso seit je her als ein Betriebsunfall ausgelegt, egal ob auf der Straße, der Schiene oder in der Politik. (LK)