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Kugelstoßen, Speerwerfen - oder lieber Singen?

STICH-WORT

28/04/14 „Der professionelle Sänger ist mit einem Hochleistungssportler vergleichbar  mit all seinen physiologischen Besonderheiten und Verletzlichkeiten“, sagt der Salzburger Stimmarzt Josef Schlömicher-Thier, medizinischer Betreuer der Salzburger Festspiele in Salzburg und Leiter des Austrian Voice Institute. Er hat die Ausstellung „Wunder der Singstimme“ konzipiert.

An Wundern fehlt es nicht, und Josef Schlömicher-Thier hat drastische Vergleiche zwischen Sing-Kunst und der Welt des Sports auf Lager. In Sachen Stimmumfang müsste sich ein Sänger, wenn er es mit Ivan Rebroff uns seinen vier Oktaven aufnehmen wollte, auf olympisches Niveau steigern: „Der durchschnittliche Umfang einer gesunden, nicht trainierten Stimme beträgt 24 bis 28 Halbtöne, das sind etwas über zwei Oktaven. Er kann bei professionellen Sängerinnen und Sängern bis zu 48 Halbtöne (4 Oktaven) umfassen.“ So viel hatte der Barockkomponist Francesco Cavalli in der Oper „La Calisto” dem Bariton Marcello Lippi in die Noten geschrieben. „In Analogie zum Hochsprung würde ein solcher Stimmumfang bedeuten, dass sich ein durchschnittlicher Hobbysportler von der Marke 1,42m ( Leistung der U16 Union Salzburg in Rif 2005) auf die Weltrekordhöhe von 2,45m steigern müsste.“

Den Krafteinsatz eines Sängers hinsichtlich der Lautstärke macht Schlömicher-Thier am Kugelstoßen fest: Die Stimmdynamik wird als Lautstärkenabstand vom leisesten gesungenen bzw. gesprochenen Ton bis zum lautest gesungenen bzw. gerufenen Ton definiert und in Dezibel (dBA) ausgedrückt. „Der Lautstärken-Höchstwert beträgt für untrainierte gesunde Stimmen 90 dBA bei Frauen und 95 dBA bei Männern; bei der Dynamik von „leise“ bis „laut“ werden 35 bis 40 dBA gemessen.“ Das reicht freilich nicht, um über ein großes Orchester zu kommen. Professionelle Sänger brauchen dafür eine Lautstärke von bis zu 110 dBA und eine Dynamik von 65 dBA. Wer im Sommer den Jedermann zur Räson ruft, braucht Werte bis 119 dBA (Lautstärke) bzw. 70 dBA (Dynamik). So gemessen beim Casting 2010. „Im Vergleich zur Sportart Kugelstoßen entspricht dies einer Verbesserung der Leistung eines österreichischen Rekords von 17 Meter auf den gegenwärtigen Weltrekord von 23m – also ganze 6 Meter!“

Hohe und tiefe, laute und leise Töne sind nicht alles. Wer eine musikalische Phrase aussingen will, braucht ordentlich Puste. Da vergleicht der Stimmarzt die Sänger mit Apnoe-Tauchern. Nicht trainierte, gesunde Frauen sollten einen leisen Ton mindestens 15 Sekunden aushalten können, Männer 20 Sekunden. „Hochleistungssänger erreichen Werte bis zu 60 Sekunden“, so Schlömicher-Thier. „Im Vergleich zum Apnoetauchen als Sportdisziplin entspräche dies einer Verbesserung einer Tauchdauer von 2,8 min auf den bestehenden Weltrekord von knapp 9 Minuten  somit mehr als sechs Minuten zusätzliches Apnoetauchen.“

Da bleibt unsereinem also im Wortsinn die Luft weg. Ob es wenigstens einem Speerwerfer gelingt, Sänger auszustechen? Zum Speerwerfer-Bild greift der Stimm-Sachverständige, wenn es gilt, die Energiemaxima von Obertönen zu verdeutlichen. Auch die braucht es, um ein Orchester zu übertönen und große Räume akustisch zu füllen. „Eine untrainierte Stimme erreicht bei einem Obertonspektrum von 2500 – 3000 Hz eine Sängerformantenmesslinie von 5 dBA, ein trainierter Hochleistungssänger aktiviert hier ein Energiemaximum von 22 dBA. Umgelegt auf die Speerwurf-Disziplin würde dies bedeuten, dass ein untrainierter Speerwerfer nur 28 Meter schafft, während der Weltrekord bei 98,48 m steht.“

Die Ausstellung „Wunder der Singstimme“ wird heute Montag (28.4., 18.30 Uhr) eröffnet und ist bis 5. Mai in der Universität Mozarteum (Mirabellplatz) zu sehen. Gestaltet wird diese Ausstellung von Experten des Austrian Voice Institute in Zusammenarbeit mit den Universitäten in Salzburg, und internationalen Zentren der Stimm- und Musikermedizin (Freiburg, Frankfurt/Main, Berlin, Stockholm).
Bild: dpk-krie

 

 

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