Leidiges Thema Schule

KOMMENTAR

Von Wolfgang Stern

01/12/17 Bildung, und speziell Schule, ist seit jeher ein ideologisiertes Thema und leidet unter dem Hick-Hack der politischen Parteien. Nun ist es wieder so weit. Eine neue Regierung formiert sich und da darf natürlich die Schule als wichtiges Anliegen nicht fehlen.

Kommen Ideen, sind augenblicklich Gegenideen oder Ablehnungen vorhanden. Man beachtet dabei nicht, dass das österreichische Bildungswesen endlich einmal nach Ruhe verlangt, um den großteils engagierten und in Verantwortung arbeitenden Pädagogen nicht noch weiter ihre positive Einstellung zum „Job“ zu nehmen und ihnen die Chance für kreative Akzente in Eigenverantwortung zu lassen. Die jetzigen Lehrpläne lassen das übrigens alles zu.

Stattdessen entfacht sich die Diskussion – es sollten achtzig Prozent derer, die sich als pädagogisches Sprachrohr fühlen, besser den Mund halten – auf meist theoretischer und vermeintlich geistig hochstehender Ebene. Und das meist ohne Praxisbezug. Ich erinnere mich noch mit Schaudern an einen steirischen Schulsprecher einer Partei, der vom Schulgeschehen so weit weg war, dass es eigentlich kaum mehr tolerierbar war. Heute gibt es leider noch immer ähnliche Fälle, denen es an Selbsteinschätzung fehlt. Dabei gebe es genug Personen aus dem pädagogischen Bereich, die solche Aufgaben abdecken könnten. Die Grünen haben es z.B. in Vorarlberg gezeigt.

Wenn in unserem Schulsystem etwas geändert werden sollte, dann wäre vielleicht eine bundesweite Befragung aller Akteure sinnvoll. Diese könnten klar sagen, wo der Hut brennt. Es ist nicht allein das Deutsch-Sprachproblem, welches in den Vordergrund gestellt wird, es ist beispielsweise auch die Distanzlosigkeit, die allgegenwärtig wahrzunehmen ist, von Schülern zu Schülern, von Schülern zu den Pädagogen, aber auch zwischen Jugendlichen und Eltern und bei Begegnungen im öffentlichen Raum, die es so vor Jahren nicht gab.

Die Zeiten haben sich eben geändert. Pädagogen müssen immer mehr Erziehungsarbeit übernehmen und haben dadurch weniger Zeit für Lerninhalte. Viel Schreibarbeit und speziell Berichte, sowie die Einhaltung von in starkem Maße zunehmenden Verordnungen und Ähnlichem nehmen einen beträchtlichen Zeitrahmen ein, sodass die Pädagogik zu kurz kommen muss. Und das in einer Zeit, in der die „Verhaltenskreativität“ der jungen Menschen, aber auch oft sehr fordernde Eltern, zunehmen. Daher müsste man so rasch wie möglich zusätzliches Personal im Bereich Kindergarten und Volksschule einsetzen, um disziplinäre Probleme leichter in den Griff zu bekommen. Ich möchte vielen Kollegen nicht unterstellen, dass sie das alleine nicht schaffen. Aber wenn man sich im Basisbereich umhört, dann wäre hier ein Ansatz einer Hilfestellung gegeben, der sich auf heute angesprochene Defizite, etwa beim sinnerfassenden Lesen, beim (antiquierten?) Kopfrechnen oder im gesamten Bewegungsbereich positiv auswirken könnte.

Eine Idee noch als Anregung: Solche Zusatzaufgaben könnten teils Studierende der Pädagogischen Hochschulen oder auch dafür in einem Schnellverfahren zusätzlich ausbildete Personen mit pädagogischem Geschick übernehmen. Früher gab es einmal den sogenannten „Hilfslehrer“. Im Kindergarten gibt es seit je her schon diese „Helfer“, ohne sie dabei abwertend zu betrachten.

Teamteaching klingt unheimlich gut, das wird ja nach wie vor für die Neue Mittelschule propagiert. Wenn aber bei rund 30 Wochenstunden nur mehr aus finanziellen Gründen sechs Stunden doppelt besetzt werden können, ist das lächerlich und es ist inzwischen von der guten Grundidee weit weg. Es wäre sinnvoller. solche Stunden mit Doppelbesetzung oder den schon erwähnten Hilfsdienst in Kindergarten und Volksschule einzusetzen. Bildungspolitiker hätten die Aufgabe, in erster Linie mit der Basis (Pädagogisches Personal für Vier- bis 14-Jährige) Kontakt aufzunehmen und nicht mit eigenen Ideen in höheren Sphären zu schweben. Und Bildungspolitiker sollten endlich auch einmal die Ideen und Aussagen anders Denkender aufnehmen, bevor diese, ohne viel Nachdenken, abgelehnt oder verurteilt werden. Es gäbe viel zu tun, aber bitte mit Vorsicht und nicht aus taktischen und ideologischen Gründen. Vielleicht schafft man einmal in Österreich eine Zusammensetzung solcher Bildungssprecher aller Parteien und deren Vertrauten, die einander anhören und in die Augen schauen können - und sich vor allem einer gemeinsamen Verantwortung bewusst sind. Viele Kinder, Eltern und Lehrer geben die Hoffnung nicht auf.

DrehPunktKultur-Mitarbeiter Wolfgang Stern ist Begründer der Musikhauptschule (jetzt Neue Musikmittelschule) in Österreich (1973/74 in Graz), Lehrplanautor und bis zu seiner Pensionierung vor gut zehn Jahren langjähriger Direktor an der Musikhauptschule Ferdinandeum in Graz. „41 Jahre Pädagoge ohne Burnout“, wie er betont.