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Die heimische Kulturszene pauschal verunglimpft

IM WORTLAUT / TOMAS FRIEDMANN

03/06/20 Kommt Salzburgs Kulturszene jetzt, da Lockerung angesagt ist, zu langsam wieder in Fahrt? Fehlt es an Kreativität und Mut? Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses, viele Jahre lang auch im Dachverband Salzburger Kulturstätten federführend engagiert, hat äußerst erbost auf einen Leitartikel in den Salzburger Nachrichten reagiert. Sein offener Brief an die Leiterin des Kulturressorts im Wortlaut.

Von Tomas Friedmann

Der Leitartikel „Das Kulturland ist erschreckend still geworden“ vom 2. Juni 2020 in den Salzburger Nachrichten ist eine Zumutung. Darin wird grob unterstellt, dass Künstler und Kulturschaffende wohl gegen Corona-Beschränkungen gewettert hätten, jetzt aber die Lockerungen im Veranstaltungsbereich verschlafen würden. Die Kulturszene, schreiben Sie, sei wohl nicht kreativ genug – ausgenommen ein paar Kirchenmusiker, Volksmusikanten und die Salzburger Festspiele. Mit diesem unwahren Angriff wird die heimische Kulturszene pauschal verunglimpft.

Komplett ignoriert wird in dem SN-Artikel die kurzfristig per 29. Mai novellierte Verordnung eines bis dahin gültigen Verbots von Kulturveranstaltungen bis Ende Juni 2020 (sowie aller Großveranstaltungen bis Ende August), aufgrund der langfristig sämtliche Aktivitäten eingestellt, abgesagt oder verschoben werden mussten. Das hat zahlreiche Künstler in arge Bedrängnis gebracht und in Kulturstätten zu unglaublichem Mehraufwand geführt, organisatorische, juristische, personelle und ökonomische Fragen aufgeworfen, die zum Teil noch immer nicht beantwortet werden können.

Alle kämpfen derzeit um Lösungen – wohl auch in Kulturabteilungen von Gemeinden, Ländern und des Bundes. Im Kulturministerium wird – heißt es auf Nachfrage – an einer neuen Verordnung gearbeitet, die notwendige Haftungsfragen beinhalten soll. Schließlich braucht die heimische Kulturwirtschaft, die vielfach international ausgerichtet ist, neben finanzieller Unterstützung eine Planungs- und Rechtssicherheit für die aktuelle und künftige Programmgestaltung, um möglichst bald wieder Menschen beschäftigen und entlohnen, Künstler einladen und unterbringen, um Kunst und Kultur endlich für ein Publikum attraktiv durchführen und bewerben zu können.

In der österreichischen Kulturszene, die sich während der Corona-Krise solidarisch und verantwortungsbewusst verhalten hat, wurden – zig Wochen vor der sehnsüchtig erwarteten Novellierung der Verordnung vor fünf Tagen – vielerorts ideenreich, engagiert und oft unbezahlt digitale u. a. Formate erfunden, um das kulturelle und künstlerische Leben zu erhalten und zu „retten“ (trotz fehlender, eindeutiger Aussagen wurden zum Beispiel Abstandshonorare ermöglicht). Allein das Literaturhaus Salzburg hat mit seinem literarischen Anti-Corona-Programm „Live-Lesen“ (täglich von 22. März bis 3. Juni) rund 250.000 Menschen weltweit erreicht und damit österreichische Autoren, die Verlagsszene und den Buchmarkt unterstützt. Viele Künstler, Theater, Museen, Konzertveranstalter etc. reagierten ähnlich rasch und kreativ. In allen Kulturstätten werden längst Möglichkeiten ausgelotet und Konzepte erarbeitet, um den Kulturbetrieb – unter Einhaltung aller Vorschriften – wieder „hochzufahren“.

Sie scheinen von alldem nichts zu wissen – oder nichts wissen zu wollen. Derlei Ignoranz und Inkompetenz würde man gerne als unnötige Provokation abtun, wenn sie denn von einer Person käme, die mit Kunst und Kultur nichts am Hut hat. Doch von der Leiterin des Kulturressorts einer seriösen, unabhängigen österreichischen Tageszeitung sind solche Worte vollkommen inakzeptabel und nicht hinnehmbar.

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