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Non olet, non infectat

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

02/08/20 Geht gar nicht anders, als an einen Clash of Civilication zu denken in diesen ersten Festspiel-Tagen. Das Damoklesschwert von Covid-19 hängt über uns und den Festspielen in etwa so wie die Werbe-Fahne der Festspiele für Cosi fan tutte über dem munter plätschernden Brunnen am Platzl. Reißt der dünne Faden?

Zu den Bändern der Werbe-Fahne haben wir unbändiges Vertrauen, auch wenn gerade eine heftige Gewitterfront dräut. Zu Corona fehlt uns die unmittelbare Gefahr-Einschätzung. Wir müssen uns den eigenen Weg suchen zwischen derzeit jämmerlich disparaten Politikeraussagen und mehr oder weniger plausiblen Anordnungen. Wir sind angewiesen auf Selbstorientierung in einer trüben Melange aus vielleicht seriösen Informationen und viral um sich greifenden Mutmaßungen. Unser Pech, dass eine Melange nicht mal zum Kaffeesudlesen taugt.

Bilder aus Berlin: Die Polizei löste dort gewaltsam eine Massendemonstration auf von Menschen, die nicht mehr bereit sind, sich ein Blatt vor den Mund, geschweige denn ein kleines Stück Stoff vor diesen zu nehmen.

Demgegenüber ist das Festspielpublikum geradezu ein Ausbund an Diszipliniertheit. Die Leutlein gestern Samstag (1.8.) in der Felsenreitschule könnte man als Allegorie der Selbstkasteiung ausstellen. Nicht einer hat den Mund/Nasenschutz vorzeitig abgenommen, und mit Einsetzen des Applauses waren die Masken flugs wieder oben, wie angeordnet. Da blieb wirklich keine einzige Nasenspitze lässig entblößt! Und abends, in der Elektra-Premiere in der Felsenreitschule hören wir, und bei der Voraufführung des neuen Handke-Stücks im Landestheater, war es nicht anders. Dort ist sogar das Minifoyer mit Kordeln abgeteilt, auf dass ja nicht das Parterrepublikum und die Besucher in den Logen und auf der Galerie einander nahe kommen.

Aber ein paar Häuserecken weiter! Am Platzl und in der Linzergasse ein fröhlich-dichter Schanigartenbetrieb. Subjektiv gefühlt sogar mehr Gedränge als in den Vorjahren. Und am jenseitigen Flußufer das Jenseitigste: Die Salzach-Galerien! Welches kranke Hirn im Schloss Mirabell genehmigt einen Kunsthandwerksmarkt von einem halben Kilometer Länge auf einem Asphaltstreifen von dreieinhalb Metern Breite?

Die Frage nach der geistigen Zurechnungsfähigkeit der Entscheidungsträger ist wahrscheinlich falsch gestellt – längst haben sie die grauen Zellen durch Registrierkassen-Module ersetzt. Das römische „Non olet“ ist einem zweckoptimistischen „Non infectat“ gewichen.

 

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