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Zu Allerseelen verstummen die Kultur-Seelen

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

29/10/20 „Lehre für die nächste Pandemie (für die Häuser, die es schaffen, diese irgendwie zu überleben): Scheiss auf Umsetzung von Hygienekonzepten, irgendwann schließen sie dich trotzdem. Gilt für die Gastronomie auch.“

Das hat ein deutscher Schriftsteller auf Twitter gepostet und damit durchaus die Stimmung in der Kulturszene getroffen, nachdem ruchbar wurde, dass Deutschland generell Theater, Opern- und Konzerthäuser, auch Kinos bis Ende November kalt stellt – kurz: alle Veranstaltungen verbietet. Zu Allerseelen verstummen dort die Kultur-Seelen. So halten das ja unterdessen so gut wie alle Nachbarländer. Dass Österreich gleichziehen wird, damit ist durchaus zu rechnen. Wenn heute Donnerstag (29.10.) das Festival Wien modern beginnt, wirkt das beinah wie Mut der Verzweiflung, wie eine trotzige Flucht nach vorne.

Ist das rigorose Herunterfahren auf dem Veranstaltungssektor in Deutschland und Frankreich (die Schweiz ist mit der Fünfzig-Personen-Obergrenze nicht viel besser) eine maßlose Überreaktion? Spiegelt sich darin ein Vorab-sich-zu-Tode-Fürchten, das an der vermeintlich wehrlosen Kulturszene rigoros ausgelebt wird, weil man sich gegenüber der an Lobbyismus entschieden stärkeren Wirtschaft nicht traut?

So wird es von vielen empfunden. Und es stimmt natürlich: Die Kulturveranstalter haben sich generell vorzugschülerhaft verhalten in den vergangenen Monaten. Auch dem Publikum gehört anhaltend Beifall gespendet für Geduld, Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin. Mehr tun für die Nicht-Ansteckung im öffentlichen Raum kann man nicht. Kein Wunder also, dass jede restriktive Maßnahme von der Kulturszene als Schikane ausgelegt wird. Kein Cluster ist diesseits des Bühnenvorhangs nachgewiesen worden. Zuschauerräume sind vorbildlich organisierte, weitestgehend sichere Orte. Auch aus den Probenräumen hört man keine Schreckensmeldungen, eher Einzelfälle.

Statements wie jenes von Münchner Bühnen-Schaffenden (wir haben es im Wortlaut veröffentlicht) werden wir also in den nächsten Tagen aus allen Ecken und Ende vernehmen. „Eine Politik, welche so panisch reagiert, dass sie gleich wieder alle Theater schließen will, obwohl dort kein einziger Ansteckungsfall bekannt ist, müsste konsequenter Weise auch gleich den eigenen Bundestag schließen“, postete ein deutscher Leser auf nachtkritik.de.

Fairerweise darf bei aller begründeter Erregung nicht auf der Strecke bleiben: Will man soziale Kontakte einschränken, will man weniger Menschen auf der Straße haben (was beides sehr sinnvoll ist), geht es wohl nicht ohne Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Da stehen Kaffee- und Wirtshäuser eben ganz oben auf der Abschussliste, Kinos und Kultur-Räume aller Art auch. Letztlich ist auch für Theater- und Konzertbesucher die Versuchung groß, sich danach noch zusammen zu setzen. In dem Fall wird es eher nicht der Partykeller und die Garage sein. Aber gerne das Wohnzimmer.

 

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