Fast schäm ich mich, mit ihnen zu schaffen

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

06/06/22 „Schluss mit dem doppelten Spiel! Nur sauberes Geld in öffentlichen Institutionen! Den Worten müssen nun Taten folgen! Die Gremien der Salzburger Festspiele stehen in der Verantwortung. Sie müssen handeln – sofort, transparent und entschieden.“

Das haben zwei heuer bei den Festspielen tätige Künsler, Lukas Bärfuss und Yana Ross, schon im April gefordert. Und weiter schrieben sie vollmundig: „Eine demokratische Gesellschaft braucht eine demokratische Kultur. Die Salzburger Festspiele dürfen nicht zum Marketingvehikel dubioser Firmen verkommen. Festivals, Museen, Theater – sämtliche kulturellen Institutionen haben sich zur Einhaltung der Menschenrechte, einer Politik der Nachhaltigkeit und der demokratischen Werte zu verpflichten."

Wer wollte nicht augenblicklich zum Kugelschreiber greifen, um ein solches Anliegen zu unterschreiben? Lupenreine Political Correctness, die stünde einer jeden Kulturinstitution gut an. Und je exponierter die Kultur ihr ureigenstes Anliegen, das Bewusstmachen ideologischer und ethischer Problemfelder, auf ihre Fahnen schreibt, umso genauer muss sie sich auch an ihren Förder-Standards messen lassen. Gerade die Festspiele, die ihre selbst verordnete Mission zur umfassenden Weltverbesserung anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums mit geradezu aufdringlicher Vehemenz hinausposaunt haben, stehen nun an vorderster Front.

Die erste Reihe ist freilich gefährlich, da wird man schnell zum Kanonenfutter. Die politidsch Korrekten, so recht sie auch haben und so hehr ihre Absichten auch sein mögen, sie ballern wild drauflos. Das ist die Crux des Festspiel-Sponsorings. Beim Konzern Solway, von dem man sich nun getrennt hat, geht es um vergleichsweise läppische 150.000 Euro. Hauptsponsoren spielen in einer ganz anderen Liga. Sie können viel Geld geben, weil sie global wirtschaften und sich erfolgreich auf einem internationalen, neoliberal entgrenzten Markt behaupten. Dieses Wirtschaften lebt genau davon, dass es die eingeforderte Korrektheit eben nicht respektiert und – nicht einmal so unauffällig wie möglich – beständig und systematisch unterläuft. So hat schon vor Jahren Peter Sellars eine Festspielrede gehalten, in der er alles Gute von Ressourcenschonung über Nachhaltigkeit bis zu den Menschenrechten beschwor, während zeitgleich draußen an der Nestlé-Bar fleißig ausgeschenkt wurde.

Nestlé, Audi, Siemens – ihr Wirtschaften zeichnet sich dadurch aus, dass es eben nicht nur geographisch Grenzen überschreitet. Das ist die Fratze neolibealen Wirtschaftens. Man darf da nicht viel fragen, nicht tiefer schürfen, eigentlich nicht mal vorsichtig am Lack kratzen, um ethisch zumindest Zweifelhaftes aufzuspüren.

Der Ruf nach ausschließlich geruchsfreiem, sauberem Fördergeld wirkt weltfremd, nachgerade utopisch. Solch unbedenkliches Fördergeld müsste wohl vom Greißler ums Eck kommen, aber der ist längst ausgestorben. Konsequent auf potentiell unsauberes Geld verzichten? Dann müsste man das Programmangebot zurückfahren oder eben die Karten empfindlich verteuern. Dann säße ein „elitäres“, geldiges Publikum da, das sich die hohen Preise womöglich gerade deshalb leisten kann, weil es selbst so ähnlich wirtschaftet wie die Firmen, die man als Sponsoren abserviert. Wie singt doch Loge in Wagners Rheingold angesichts des unlauteren Besitzstrebens der Götter: „Fast schäm ich mich, mit ihnen zu schaffen.“

Zur Meldung Vielleicht stinkt Geld ja doch