„Meine Schnörkel sind net deppat“

KOMMENTAR

Von Heidemarie Klabacher

02/02/23 Die Schulschrift 1969 wird abgeschafft. Gar nicht gewusst, dass „unsere“ Schulschrift überhaupt noch erlaubt gewesen wäre. In den Schulbüchern kommt sie längst nicht mehr vor, damit auch nicht mehr in den Heften. Unter dem damaligen Bildungsminister Rudolf Scholten wurde die Schulschrift 1995 eingeführt. Mit Schuljahr 2023/24 wird diese nun offiziell „erlassen“.

Den Schnörkseln geht es endgültig an den Kragen. Na und? Der Unterschied zwischen den beiden Alphabeten ist, oberflächlich betrachtet, gar nicht so groß. Fällt auf den ersten Blick eher nur Schrift-Liebhabern auf. Warum also ein Kommentar? Nicht aus ideologisch-rückwärtsgewandter Sentimentalität, sondern aus schreib- und kultur-technischen Gründen.

Die Schnörksel sind keine dekorative Fleißaufgabe. Sie sind für etwas gut. Bei einzelnen Großbuchstaben wie „B“ oder „H“ bieten sie eine flüssige organische Anschluss-Möglichkeit für den folgenden Kleinbuchstaben. Bei den Kleinbuchstaben erlauben die scheinbar unnötigen Schleifen etwa durch das „a“ oder „d“ oder „g“ einen durchgehenden organischen Schreibfluss. Schreibfluss und Schreibrichtung müssen für die „entschnörkselten“ Varianten oft mehrmals unterbrochen werden, der Stift immer wieder an neuen Stellen angesetzt. All das hat mit Feinmotorik zu tun und letztlich dann damit, dass handschriftlich schreiben zu können beim Lernen und Merken hilft.

Die „alten“ Großbuchstaben saßen recht gemächlich, fast ein wenig breitärschig auf ihren Zeilen. Wenn auch seit jeher meist grauslich hingekrallt, beanspruchten und bekamen sie zurecht jenen Platz, der ihnen als „Träger“ von Wissen, Bildung und Kultur zusteht. Die deutlich abgespeckten „neuen“ Großbuchstaben (auch bald dreißig Jahre alt) stehen, gefühlt etwas stärker kursiv geneigt, auf zu kleinem Raum. Sie scheinen sich ihrer selbst nicht ganz sicher zu sein. Im Schreibheft der Neulinge neigen sie sich gern noch weiter nach rechts, der Schreibwinkel wird immer kleiner, die „Platzsituation“ für die weiteren Buchstaben immer prekärer. Kein abstraktes Genörgel! Seit vielen Jahren Volksschulkindern beim Schreibenlernen über die Schulter geschaut: Eine Qual. Zu- wie anschauen. Interessant wäre die Sichtweise von Volksschullehrerinnen und Volksschullehren.

Dabei ist die Diskussion „mit oder ohne“ selbst nur ein Schnörksel über einem viel tiefergreifenden Phänomen: Beängstigend ist die Selbstverständlichkeit, mit der in Medienkommentaren und Diskussionsforen – als Reaktion auf das Rundschreiben Nr. 35/2022 (BMBWF) Österreichische Schulschrift; Information über die Neuerungen ab SJ 23/24 vom 23. Jänner – die Möglichkeit, Schreibschrift gleich gar nicht mehr zu lehren, als sinnvoll in den Raum gestellt wird.

Aber zum Glück, wie wir meinen, sehen noch immer viele Leute auch weiterhin die Notwendigkeit, vor dem Laptop-Bedienen in der Schule doch zuerst einmal schreiben, lesen und ein bisserl – mit Bleistift auf Papier – rechnen zu lernen. Den wunderschönen Titel über diesem Text haben wir im Standard-Diskussionsforum unter dem Kommentar von Oona Kroisleitner gefunden. Dank an Witwe Mortimer. Zitieren wollen wir auch MarieCurry, welche/er die Forderung nach Digitalisierung in der Volksschule kritisch betrachtet, „sind doch diese paar ersten Schuljahre im Unterricht eventuell die einzige Zeit für manche Kinder, die ohne Digitalprodukte wie Smartphone, Tablet, Streaming zugebracht wird“.

Wer's amtlich will – rundschreiben.bmbwf.gv.at
Bilder: BMUK