… trifft den Ton

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

19/03/12 China ist gerade Causa prima in Salzburgs Wirtschaftspolitik. Zwei Volksmusik-Recken vom Wolfgangsee, auf „Zugin“ (Ziehharmonika) und Tuba, waren jüngst in Peking gern gehörte und fotografierte „Exoten“. Derweil bekamen in Salzburg russische TV-Promis vor russischen Fernsehkameras einen Einführungs-Quickie in Jodeln, Tanzen und Schuhplatteln.

Die Tourismuswirtschaft darf sich freuen. Dreißig Millionen Couch Potatoes werden in Russland ihre Landsleute bei ihren Salzburg-Folklore-Versuchen beobachten und vielleicht Lust auf Alm und Schnee bekommen. Der chinesische Markt ist noch viel, viel attraktiver. Allein im Großraum Shanghai zählt man 24 Millionen Einwohner (dagegen ist Moskau mit seinen acht Millionen ein Zwutschgerl).

Die Tourismuswirtschaft kann also zufrieden sein mit dem Mehrwert der Salzburger Volkskultur-Häppchen der vergangenen Woche, daheim und in der fernöstlichen Fremde. Der Tuba-Bläser, den die SN in ihrer Samstag-Nummer (17.3.) ins Bild gerückt haben, hat gewiss keinen Gedanken investiert, wie man in China mit Menschenrechten umgeht. Und die „Salzburger Brauchtumsexperten“ (SN, in derselben Ausgabe), die Russen das Volkstanzen und Juchezen lehrten? Die hatten wohl auch ganz andere Dinge im Kopf als die Tatsache, dass es dort bei den Präsidentenwahlen jüngst nicht ganz koscher zugegangen ist.

Das „Non olet“ gilt im übrigen nicht nur für die Volkskultur. In Shanghai, wo dieser Tage die Landeshauptfrau und der Salzburger Bürgermeister vorsprachen, freut man sichschon unbändig auf die „Bohème“, die in diesem Sommer von Festspielen und dem Shanghai Grand Theatre koproduziert und im Herbst dort zu sehen sein wird.

Jüngst haben sich die Pinzgauer Tresterer, die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammende, längst widerlegte Brauch-Erklärungen unreflektiert wiederholen, nicht zu Unrecht einer gewissen Blauäugigkeit zeihen lassen müssen. Ist in der Volkskultur die politische Bewusstseinslage besser, wenn es um China und Russland geht? Und dürfen die Festspiele uns reinen Gewissens im Sinne heutigen Regietheaters politisch aufgeladene Werkdeutungen auf der Bühne vorsetzen, wenn sie andrerseits bedenkenlos mit China kooperieren?

Es zählen Werbepotentiale und Wirtschaftskräfte. Arrangements sind nicht zu schließen mit Kunst und Kultur und deren Anspruch, Bewusstsein zu formen und Kritikfähigkeit zu stärken. Sondern mit der Wirklichkeit, die da heißt: China und Russland sind Marktwerte, an denen niemand vorbei will. Auch die Universität nicht, die – wie der ORF heute meldet – den Studentenaustausch propagiert. „…die Studierenden springen auf diesen Zug auf“, zitiert der ORF die universitäre Auslands-Beauftragte. Und die SN titeln ohne jeden Arg: „Salzburg trifft den Ton.“