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Geraubte und verbrannte Spuren jüdischen Lebens

HINTERGRUND / NOVEMBER-POGROM 1938

08/11/18 Der Salzburger Gert Kerschbaumer ist ein Unermüdlicher, was die Aufarbeitung lokaler Spuren des Holocaust betrifft. In diesem Text erinnert er an die 1937 eröffnete jüdische Bibliothek der ein Jahr später – in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 – ausgelöschten Jüdischen gemeinde in Salzburg.

Von Gert Kerschbaumer

Achtzig Jahre sind mittlerweile verflossen und noch immer sind wir auf der Suche nach hinterlassenen Spuren Stefan Zweigs in der kleinen jüdischen Gemeinde seines Lebensortes Salzburg. Hinweise finden wir weder in seinem Erinnerungsbuch Die Welt von Gestern noch in Erzählungen von Zeitzeugen der im November 1938 ausgelöschten jüdischen Gemeinde, ebenso wenig in Berichten der Gestapo und des Sicherheitsdienstes der SS.

Dank einer bislang unbekannten Quelle wissen wir immerhin, dass der Salzburger Rabbiner Dr. David Samuel Margules am 15. November 1937 in der Synagoge an der Lasserstraße eine jahrelange Forderung der zionistischen Ortsgruppe erfüllen konnte: die Eröffnung einer jüdischen Bibliothek.

Buchtitel sind nicht bekannt. Ihre Spender haben jedoch Namen, ausnahmslos Juden, darunter Stefan Zweig, der im Mai 1937 bei der Räumung seines verkauften Hauses auf dem Kapuzinerberg 140 Bücher jüdischer Autoren der Kultusgemeinde geschenkt hatte.

Von Interesse ist überdies, mit wem Stefan Zweig in der jüdischen Gemeinde Kontakt pflegte: sowohl mit dem Rabbiner Dr. Margules als auch mit Walter Schwarz vom Kaufhaus S. L. Schwarz. Es heißt, dass es dem Rabbiner während seiner achtjährigen Amtszeit gelang, Spannungen zwischen den Konservativen und Zionisten zu kalmieren. Zu letzteren zählte die Familie Schwarz. Walters Ehefrau Dora und ihre Kinder lebten schon seit den frühen 1930er Jahren in Zichron Ja’akov, Palästina (Eretz Israel). Dank der guten Verbindungen zwischen Salzburg und Palästina konnte Walter Schwarz seinem in politische Bedrängnis geratenen Freund Stefan Zweig behilflich sein, den wesentlichen Teil seiner Korrespondenz nach Jerusalem in die jüdische Nationalbibliothek auszulagern und somit zu retten.

Geraubt oder verbrannt wurde hingegen die im November 1937 in der Salzburger Synagoge eröffnete jüdische Bibliothek. Ihre Initiatoren wurden vertrieben oder ermordet. Jedes Opfer, schon das erste ist zu viel. Das erste jüdische Opfer war Walter Schwarz (im Bild rechts): Tod am 1. September 1938 in der Gestapohauptstelle München.

Der Historiker Gert Kerschbaumer hat das im März 2018 veröffentlichte Verzeichnis „NS-Opfer Bundesland Salzburg“ noch einmal überarbeitet und erweitert: Neu eingetragen wurden Krankenmorde (Euthanasie-Opfer), Roma & Sinti, Jüdinnen und Juden aus der Stadt Salzburg. Die Datei enthält Opfernamen, Geburtsdatum, Geburtsort, letzten Aufenthalt, Kurzinformation zum Opfer sowie dessen Todesdatum. Das aktuelle Verzeichnis umfasst annähernd 1.000 Opfer. Aktuell sind im Bundesland Salzburg 461 Stolpersteine für Opfer des nationalsozialistischen Terrors verlegt.
Die Biographien aller Opfer des nationalsozialistischen Terrors aus Salzburg sind nachzulesen auf der Website www.stolpersteine-salzburg.at
Bilder: Suzanne Hoeller (1); privat (1); Stadt Salzburg (1)
Zum Kunstprojekt Kaddish in der Kollegienkirche
Kaddisch – Raum zum Erinnern

 

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