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Bestimmen die Kirchen, was Ethik ist?

HINTERGRUND / ETHIK STATT RELIGION?

05/03/20 Heute Donnerstag (5.3.) findet in St. Virgil eine Tagung Ethik statt Religion statt. Den Eröffnungsvortrag hielt Bundesminister Heinz Faßmann. Der Salzburger Religionspädagoge Anton Bucher lehnt sich mit Kritik weit aus dem Fenster. Er möchte das Fach Ethik neben dem Fach Religion sehen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Kernfrage: Steht Ethik-Unterricht nur denen zu, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Oder wäre es nicht ein wichtiges Fach für alle? Kann eine kirchlich ausgerichtete Veranstaltung überhaupt zur Klärung beitragen? Der Salzburger Theologe und Mitinitiator des Volksbegehrens Ethik für alle Professor Anton Bucher sieht die Tagung jedenfalls sehr kritisch. „Es ist durchaus das Recht von religiös-kirchlichen Institutionen, über religiöse und ethische Bildung zu reflektieren. Der Kontext dieser Tagung ist jedoch, dass die neue Bundesregierung vorgesehen hat, einen verpflichtenden Ethikunterricht ausschließlich für SchülerInnen vorzuschreiben, die nicht am Religionsunterricht einer der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften teilnehmen.“ Das betreffe an erster Stelle Kinder aus Familien, die konfessionsfrei sind. „Gemäß dem Programm dieser Tagung ist nicht vorgesehen, dass ein Repräsentant der Konfessionsfreien zu Wort kommt.“ Damit wiederhole sich nach Meinung des Salzburger Religionspädagogen, was anlässlich der Parlamentarischen Enquete zur Werteerziehung an österreichischen Schulen im Jahre 2012 „zu einem demokratiepolitischen Skandal hätte führen sollen“. Es entstehe „wieder der Eindruck, dass die Religionsgemeinschaften über die ethische Bildung jener SchülerInnen befinden wollen, die die entsprechenden kirchlichen Angebote ausgeschlagen haben oder diese nicht annehmen“.

Anton Bucher hat im Jahr 1997 die Ethikschulversuche in Salzburg initiiert, diese im Auftrag des Unterrichtsministeriums offiziell evaluiert und seitdem weitere zwanzig Jahre unterrichtlich und empirisch begleitet. Nachdem er sich mehrmals für die Einführung eines Ethikunterrichtes für alle Schülerinnen und Schüler ausgesprochen hatte, wurde ihm die Lehrtätigkeit an kirchlichen pädagogischen Hochschulen verwehrt. Bucher dazu: „Offensichtlich wird nicht begriffen, dass der Wunsch nach ethischer Bildung für alle nicht ein Angriff auf den Religionsunterricht ist – in Berlin funktioniert es ja auch.“ Dass aber solche Argumentationsmuster entstehen, sei nach Buchers Ansicht ein Indiz dafür, „dass Angst herrscht, historisch gewachsene Privilegien zu verlieren“.

Wer also referiert heute in St. Virgil? Expertinnen und Experten wie Zekirija Sejdini (Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik, Universität Innsbruck), Petra Steinmair-Pösel (Kirchliche Pädagogische Hochschule Edith Stein Feldkirch) sowie der Philosoph Hans Schelkshorn (Universität Wien) gehen dem Verhältnis von Religion und Ethik nach. Schülerinnen und Schüler formulieren in kurzen Statements, warum sie sich für oder gegen den Ethikunterricht bzw. für oder gegen den Religionsunterricht entschieden haben. Eine Kernfrage – Was genau soll Ethik-Unterricht vermitteln? – erläutert heute um 16.30 Uhr der Grazer Religionsphilisoph Hans Walter Ruckenbauer anhand von Lehr- und Studienplänen.

„St. Virgil versteht sich als Ort des Dialogs, wo Kontroversen ausgetragen und unterschiedliche Standpunkte gehört werden können. Das ist nicht immer bequem, aber notwendig, gerade in dieser Debatte, die mitunter sehr emotional geführt wird“, sagt die Verantwortliche für die Tagung, die Theologin Elisabeth Kraus. St. Virgil führt diese Tagung gemeinsam mit der Kommission Weltreligionen der österreichischen Bischofskonferenz, dem Zentrum Theologie Interkulturell und der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz durch.

Kein Wunder, dass Eytan Reif, Sprecher des Volksbegehrens „Ethik für Alle“, die Veranstaltung hefig kritisiert und von einer „PR-Veranstaltung der Katholischen Bischofskonferenz“ spricht, die „die Bewerbung eines diskriminierenden Ethikunterrichtes ausschließlich für Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, bezwecken“ solle. Es sei, so Eytan Reif, „mehr als befremdlich“, dass Bildungsminister Faßmann „an einer kirchlich organisierten Veranstaltung, die der Marginalisierung des Ethikunterrichtes gegenüber dem Religionsunterricht dienen soll“, teilnehme.

Beim abschließenden Gesprächsabend heute Donnerstag (5.3.) um 19 Uhr wird die Frage gestellt, ob Ethik wichtiger als Religion sei. Genau das sagte der Dalai Lama nämlich nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo 2015, und das beflügelte die Diskussionen rund um den Ethik-Unterricht mächtig. Auf dem Podium: die Buddhismus-Expertin Carola Roloff und der Religionswissenschafter Martin Rötting.

www.virgil.at
Bilder: dpk-krie (1); St. Virgil (1)
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