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HINTERGRUND / TU-LINZ / KUNSTUNIVERSITÄTEN

08/09/20 Dass Linz eine neue Technische Universität bekommt, ist bei den Rektoren-Kolleginnen und -Kollegen an den anderen österreichischen Universitäten nicht gut angekommen. Manche sehen darin ein Ergebnis von föderalem Lobbyismus und Bundesländer-Eigenbrötlerei. Sie zweifeln die Sinnhaftigkeit an.

Nun haben sich auch die Rektorinnen und Rektoren der öffentlichen Kunstuniversitäten zu Wort gemeldet. Sie erwarten von der Bundesregierung für ihre Einrichtungen Investitionen in gleichem Umfang wie für die Errichtung der neuen Linzer TU. Ihre Argumentation: Gerade in Zeiten dramatischer Umbrüche vermitteln Kunstuniversitäten nicht nur künstlerische Exzellenz, sondern auch notwendige Schlüsselkompetenzen für die Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Sowohl Kunstuniversitäten als auch die Kulturinstitutionen Österreichs sind aufgrund ihrer einzigartigen Qualität und schöpferischen Leistung Weltspitze. „Diese Topposition gilt es zu halten und gerade im Zeitalter der digitalen Transformation couragiert auszubauen“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme.

„Wir erleben Zeiten, die zunehmend von existenziellen globalen Fragen geprägt sind, verbunden mit Ungewissheit, Mehrdeutigkeit weit über traditionelle Forschungsfelder hinweg und steigender digitaler Vereinzelung. Der dramatische Transformationsprozess, in dem sich unsere Gesellschaft befindet, wird befeuert von einer noch nie dagewesenen technologischen Revolution (Digitalisierung, Automatisierung, künstliche Intelligenz, Gentechnologie), und von den immer deutlicher sichtbaren Auswirkungen der Klimakrise.“ Mit technologischen Ansätzen allein könne dieser Transformationsprozess, in deren Mittelpunkt die Transformation der Lebensbedingungen für Menschen steht, nicht bewältigt werden, so die Rektorinnen und Rektoren der Kunstuniversitäten.

Gefragt sei beispielsweise „die Kompetenz, mit differenzierten und widersprüchlichen sozialen Erfahrungshorizonten umzugehen, die eine komplexe Gesellschaft im Zeichen von Globalisierungsdynamiken zunehmend prägen“, wozu auch gehöre „soziale Situationen, Medien der Kommunikation und gemeinschaftliche Erfahrungen zu gestalten, die der Vereinzelung entgegenwirkt“.

Bildung – insbesondere auch universitäre Bildung – habe die Aufgabe, diese Kompetenzen zu vermitteln und junge Menschen dabei zu unterstützen, entsprechende Haltungen zu entwickeln. „Es geht darum, umfassende Perspektiven zu bieten, um den Blick auf die Menschen und die Gesellschaft in der sie leben, arbeiten und soziale Wirkung entfalten, zu schärfen. Kreativität, soziale Kompetenz, Inklusion, Diversität etc. sind zentrale Inhalte künstlerischer Bildung und von eminenter positiver Bedeutung für die Gesellschaft. Die Fähigkeit, Ungewissheit und Mehrdeutigkeit nicht als Gefahr, sondern als Bedingung und Methode für die Gestaltung sozialer Umfelder zu sehen, sind zentrale Elemente, mit denen Künstlerinnen und Künstler arbeiten, ebenso wie die Fähigkeit zur Entwicklung innovativer Formen menschlicher Kommunikation.“

So fördere Kunst „in singulärer Weise den Zusammenhalt einer Gesellschaft, gerade auch in herausfordernden Zeiten von Pandemien oder technologischen Revolutionen.

„Kunst verbindet, bildet, therapiert, ermutigt und unterhält. Sie ist essentieller Impulsgeber für Weiterentwicklung, sie gibt einer Nation ein Gesicht im globalen Wettbewerb. Das Potential dieser Kompetenzen gilt es verstärkt für alle gesellschaftlichen Arbeitsfelder nutzbar zu machen, weil sich alle Menschen mit den neuen Herausforderungen in Gesellschaft und Wirtschaft konfrontiert sehen.“

Um einen Breitrag zur Sicherung und Entwicklung unserer demokratischen Gesellschaft zu leisten, bedürfe es also einer offensiven finanziellen Stärkung der Innovationskraft der Kunstuniversitäten. „Diese muss deutlich über die bloße wirtschaftliche Absicherung ihres bestehenden Betriebes hinausgehen.“ (ots/dpk)

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