Die Ordens-Chefs in die Krankenstation

WELTKULTURERBE / FRANZISKANERKLOSTER

16/04/21 Das Wort Infirmerie muss man erklären. Es war einst der Raum für die Kranken in einem Kloster. Hätte es früher Corona gegeben, wären die Betroffenen hier abgesondert worden. In der Infirmerie wären sie entweder gesundet oder hätten der Übersiedlung in eine Welt entgegengesehen, die nach christlichem Verständnis eine bessere als die unsere sein soll.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Infirmerie im Salzburger Franziskanerkloster war für die Rekonvaleszenten schon eine recht gute Welt. Es ist eine „Sala terrena“, also ein zum Klostergarten hin offener Raum mit weiten Gewölbebögen. Frischluft und Licht tat Patienten schon immer gut.

Warum erzählen wir von der Infirmerie im Franziskanerkloster? In einem normalen Jahr würden sich übermorgen dort Menschenschlangen bilden. Am kommenden Sonntag (18.4.) ist nämlich der Erste Österreichischer Welterbe-Tag. Wäre nicht Corona-Zeit, wäre das ein Anlass für Spezialführungen an diesem bau-, kirchen- und zeitgeschichtlichen Hotspot in der Weltkulturerbe-Stadt. Die Sanierung des Franziskanerklosters ist das derzeit bei weitem umfänglichste denkmalschützerische Unternehmen in Salzburg.

Der geplante Tag der offenen Tür mit geführten Rundgängen im Franziskanerkloster wird notgedrungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Aber es ist ein zweisprachiges Booklet aus der Reihe „Welterbe – World Heritage“ der Stadt Salzburg erschienen. Es informiert über archäologische Funde, bauhistorische Erkenntnisse, Herausforderungen im Zuge der Restaurierung und auch darüber, wie die Klosterräume, so sie nicht unmittelbar zur Klausur der Mönche gehören, künftig genutzt werden.

Jener Gebäudeteil, in dem sich die ehemalige Infirmerie befindet, wird zur Chefetage der Franziskaner. Hier wird das Provinzialat eingerichtet, die Ordensleitung für Österreich, Südtirol und die Schweiz. Dem zum Garten hin geöffneten Erdgeschoß ist eine Verglasung vorgesetzt. Der Klostergarten wurde quasi entrümpelt und präsentiert sich als attraktive grüne Oase in der Altstadt.

Die hier tätigen Mittelalter-Archäologen hatten und haben Hochsaison: Sie haben beispielsweise Mauern des hochmittelalterlichen Klosterkomplexes entdeckt. Vor den Franziskanern waren, seit 1130, die „Petersfrauen“ da. Sie lebten in einem Gebäude, das unmittelbar an die Kirche grenzte. Die heutige Franziskanergasse wurde erst im Barock geschlagen. Die Petersfrauen bildeten lange Zeit ein Doppelkloster mit der benachbarten und baulich verzahnten Erzabtei St. Peter. Es war dies neben Nonnberg ein weiteres wichtiges Frauenkloster in der Altstadt. Es fand sich allerlei dekorative Bauplastik der Romanik.

Ebenso hervorzuheben ist der jüngst im Kreuzgang-Garten freigelegte Arm des Almkanals, der auch „Franziskaner Gerinne“ genannt wird. Dieser mündet in den sogenannten St. Peter-Arm des Almkanals, der ebenfalls das Kloster unterspült. Eine Herausforderung für die Baustatiker, nebenbei bemerkt.

Spuren über zwei Jahrtausende, vom römischem Iuvavum über das frühe Mittelalter mit einer uralten Kirche aus der Anfangsphase der Christianisierung und das hohe Mittelalter mit dem romanischen Petersfrauenkloster bis zum barocken Ausbau des Klosters.

Die Präsenz der Petersfrauen endete nach über 450 Jahren – 1583, als Erzbischof Johann Jakob Kuen Belasy den Franziskanerorden nach Salzburg berief und ihm das Klostergebäude übergab. So wie die anderen, ungefähr zeitgleich angesiedelten Bettelorden der Kapuziner und der unbeschuhten Augustiner-Eremiten waren auch die „Minderen Brüder“ der Franziskaner zum Zwecke der volksnahen Seelsorge und der Armenfürsorge in die Stadt berufen worden. Das ist jedenfalls die offizielle Lesart. Ein entscheidender Grund war die Gegenreformation. Mit den wortgewandten und intellektuellen Jesuiten, die rundum zur Bekehrung der Ketzer antraten, haben sich die machtbewussten Salzburger Erzbischöfe damals ja nicht eingelassen. Ihnen war die „angewandte“ pastorale Tätigkeit der Bettelorden lieber als mögliche geistliche Konkurrenz.

Ein Sprung ins 20. Jahrhundert: Im Zuge der gegenwärtigen Sanierung wurde der Klosterkomplex von unpassenden wie beengenden Einbauten der Nationalsozialisten befreit. Diese hatten das Kloster gleich am ersten (!) Tag nach dem Anschluss konfisziert und unter anderem als Gestapo-Quartier eingerichtet.

So wurde nun auch der typischerweise rundum laufende Kreuzgang wieder geöffnet (einen Teil davon hat man bisher von der Räumlichkeiten der Frauenhilfe aus gesehen). Eine nun entdeckte Inschrift „Heil Österreich“ erinnert an die gefangenen Franziskaner-Mönche: Ein patriotisches letztes Lebenszeichen der Ermordenten, ein bewegendes historisches Dokument.

Die historischen Mönchszellen, die mit neuen Nassräumen „und schlichter franziskanischer Möblierung ausgestattet“ wurden, wird die Öffentlichkeit nicht zu sehehn bekommen. Hoffentlich manchmal doch das Refektorium, den Speisesaal der Mönche mit eleganten Stukkaturen. Er wurde in Kalktechnik handwerklich gediegen restauriert. Mit der Erschließung des Konvent- und Musikarchivs werden lange verborgene Autographen von Mozart und anderer Künstler der Wissenschaft nutzbar gemacht.

Viel Wissens- und hoffentlich bald auch Sehenswertes also. Aktuell zum Österreichischen Welterbe-Tag muss man sich mit dem Booklet Welterbe – World Heritage. Klöster in Salzburg begnügen. Bei einem Presserundgang heute Freitag (16.4.) sprach die ressortzuständige Bürgermeister-Stellvertreterin Barbara Unterkofler das im ehemaligen Barockmuseum geplante Welterbe-Besucherzentrum an. Im kommenden Jahr gibt’s ja ein Jubiläum, da ist Salzburg 25 Jahre lang im Rang eines Weltkulturerbes (zehn Städte in Österreich genießen diese Last und Würde). Eh Zeit, dass man endlich einen solchen Informations- und Begegnungsort einrichtet.

Das zweisprachige Booklet „Welterbe – World Heritage. Klöster in Salzburg“ ist kostenlos im Stadtservice (Schloss Mirabell) erhältlich und zum Download auf der Webist der Stadt Salzburg unter - stadt-salzburg.at
Bilder: InfoZ / Herbert Rohrer Wildbild (1);  aus dem Booklet (5)