Vampirjäger und Dirigenten

MEMORY OF AUSTRIA-REGISTER / FESTSPIELE

20/12/22 Die k.u.k-Vampierjäger haben leider keine Zeichnung hinterlassen. Aber Vampire sind auch in Aktenform spannend. 415 Jahre alte Landkarten sowieso. Dokumente aus Mauthausen erschüttern und dürfen ebenso wenig verloren gehen, wie das empfindliche Original des Stummfilms Die Stadt ohne Juden von 1927. Disparate Auflistung? Die audiovisuelle Sammlung der Salzburger Festspiele gehört auch dazu.

Von Heidemarie Klabacher

Seit 2014 führt die Österreichische UNESCO-Kommission das Dokumentenerbe-Register Memory of Austria. Es umfasst Dokumente von besonderer Bedeutung für die österreichische Geschichte. Die elf Neuaufnahmen reichen von der mittelalterlichen Handschrift bis herauf zu audiovisuellen Dokumenten der Zeitgeschichte. Siebzig Einträge aus unterschiedlichsten Epochen stehen damit im nationalen Regiser Memory of Austria..

Das internationale Memory of the World Programm wurde 1992, also bereits vor dreißig Jahren, gegründet. Ziel seither ist nicht nur der Erhalt historisch bedeutender Dokumente, sondern auch der größtmögliche Zugang dazu: „Ein Imperativ von größter Relevanz für die Bewahrung demokratischer Grundwerte“, sagte Sabine Haag, die Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, dieser Tage bei der Überreichung der Urkunden im Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien. Wichtig sei es auch, „Bewusstsein für die Notwendigkeit der Bewahrung von Dokumenten“ zu schaffen.

Im Register Memory of Austria stehen seit 16. Dezember nun neu die Millstätter Handschrift aus dem Kärntner Landesarchiv oder der Nachlass Alois Negrelli aus dem Technischen Museum in Wien: Negrilli war einer der einflussreichsten Ingenieure und Verkehrsplaner der Habsburgermonarchie. Aus dem Österreichischen Staatsarchiv stammen die beiden eher schrullig klingenen Posten „Akten der Vermögensverkehrsstelle“ und „Vampirakten der k. u. k. Hofkammer“, aber auch die Akten zur Österreichisch-französische Defensivallianz von 1756. „Geschichten über Vampire gerieten seit den 1720er-Jahren stärker in den Fokus der mittel- und westeuropäischen Gelehrtenblätter und faszinierten die Allgemeinheit aus verschiedenen Gründen“, heißt es auf der website der UNESCO. „Die zivilen und militärischen Zentralstellen der österreichischen Monarchie, z.B. der Hofkriegsrat, aber auch regionale Behörden, entsandten mehrfach Mediziner und chirurgisch ausgebildete Militärs, um vor Ort den Gerüchten nachzugehen...“

Weiters neu im Memory of Austria-Register stehen die Sammlung Hans Maršálek der KZ Gedenkstätte Mauthausen sowie die Landesaufnahme des Johannes Clobucchiarich 1601-1605 aus dem Steiermärkischen Landesarchiv: „Dieses verwahrt 99 Blätter mit rund fünhundert Einzelskizzen, die als Vorarbeit für ein Kartenwerk Innerösterreichs und der angrenzenden kroatischen Gebiete dienten und aus den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts stammen. Schöpfer dieser Skizzen war der Augustinermönch Johannes Clobucciarich, geboren um 1545 in Rijeka.“

Ebenfalls neu aufgenommen wurde der Briefwechsel Sigmund Freud – Sándor Ferenczi der Österreichischen Nationalbibliothek, Hugo Portischs TV-Dokumentationen 1969-2019 aus dem ORF Archiv, die Nitro-Originale des österreichischen Stummfilms Die Stadt ohne Juden von 1927 des Filmarchivs Austria – und die Audiovisuelle Sammlung der Salzburger Festspiele.

Die Salzburger Festspiele hüten Mitschnitte und Aufnahmen aus über achtzig Jahren Festspielgeschichte: „Dieser Schatz, der einzigartige Höhepunkte der europäischen Musik- und Theatergeschichte dokumentiert, wurde seit 2020 in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums Wien gehoben, professionell digitalisiert und dauerhaft gesichert, womit auch der langfristige Zugang zu der Sammlung gewährleistet ist“, erklären die Festspiele in ihrer Aussendung.

Die Mitschnitte waren ursprünglich nur für interne Zwecke vorgesehen. Durch kontinuierliche Dokumentationstätigkeit sei „eine einmalige Sammlung von Ton- und Bilddokumenten mit Höhepunkten der europäischen Musik- und Theatergeschichte“ entstanden. Aufgezeichnet wurden Proben und Aufführungen, „sodass sich auch Einblicke in den künstlerischen Schaffensprozess ergeben“, so Margarethe Lasinger, die Leiterin Dramaturgie, Publikationen und Archiv der Salzburger Festspiele.

Vorhanden sind rund tausend Originalaufnahmen von Dirigenten wie Herbert von Karajan, Seiji Ozawa, Karl Böhm, Claudio Abbado bis Riccardo Muti, von Inszenierungen namhafter Regisseure wie Ernst Haeusserman, Peter Stein, George Tabori oder Hans Neuenfels. Zudem umfasst die Sammlung Stücke von Shakespeare über Hofmannsthal bis Handke.

Die Kooperation der Festspielen mit der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums Wien besteht seit 2020. Da feierten die beiden Institutionen ihr hundert- bzw. ihr sechzigjähriges Bestehen. Mit der Kooperation habe man einander gegenseitig „ein kostbares Geschenk“ gemacht: „Durch die Digitalisierung von Hausmitschnitten konnten wir wichtige Produktionen dem Vergessen entreißen. Der Mediathek kommt dabei eine bedeutende Rolle als Bewahrerin des kulturellen Erbes Österreichs zu“, Die Aufnahme in das nationale Memory of the World sei ein Ansporn, „auch andere Schätze des Festspielarchivs zu heben und besser zugänglich zu machen“.

Die Neuaufnahmen auf der Website der UNESCO  www.unesco.at
Bilder: Filmarchiv Austria; ORF Archiv;  Kärntner Landesarchiv; Steiermärkisches Landesarchiv; Österreichisches Staatsarchiv