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Die Mumie auf dem Dachboden

HINTERGRUND / ÖSTERREICHISCHER WELTERBETAG

18/04/23 Wann mag der Vogel im Dachboden der Sebastianskirche in der Linzergasse sein Leben ausgehaucht haben? Das Klima war offenbar günstig, er sitzt dort gewiss schon sehr lange als kleine Mumie auf einem Mauervorsprung. Daneben, an die Mauer genagelt, Reste eines Lederschuhs. Hat ihn einer von jenen Zimmerleuten getragen, die vor 270 Jahren das Gebälk errichteten?

Von Reinhard Kriechbaum

Heute Mittwoch (18.4.) ist Österreichischer Welterbetag. Salzburg zählt seit seit 1996 dazu. Nahe liegend, dass es heute Nachmittag um 16 Uhr eine Stadtführung in Sachen Fischer von Erlach gibt. Schließlich jährte sich der Todestag dieses Barockbaumeister vor zwei Wochen zum 300. Mal. Auch in den Büroräumen der Salzburger Landeskonservatorin in der Sigmund-Haffner-Gasse 8 kann man heute Mittwoch (18.4.) ab 17.30 Uhr vorbei schauen. Die Stuckdecken aus der Zeit um 1740 sowie die historistischen Schablonenmalereien des frühen 20. Jahrhunderts sind in den Amtsräumen der Denkmalschützer – früher Wohnung einer bestsituierten Bürgerfamilie – logischerweise top hergerichtet.

Der weitaus interessanteste Programmpunkt ist freilich am Freitag (21.4.) nachmittags. Da gibt es Führungen auf den Dachboden der Kirche St. Sebastian. Für dessen Restaurierung ist die Stadt Salzburg zuständig, so wie für den gesamten Friedhofskomplex inklusive Wolf-Dietrich-Mausoleum. Gefühlt eine Dauerbaustelle. Von Herbst 2021 bis Jahresbeginn 2023 wurde das Dach der Kirche saniert und ihre Fassade fachmännisch in den „Steinfarben“ des Untersberger Marmors restauriert. Das hat alles in allem 1,65 Millionen Euro gekostet. Weitere Maßnahmen sind hinsichtlich der Erhaltung der Gräber und Grabdenkmäler in den Arkaden des Friedhofs geplant.

DrehPunktKultur hat die zuständige Beamtin in der Bauabteilung des Magistrats, Dagmar Redl-Bunja, dieser Tage um einen Lokalaugenschein gebeten. Es gibt keinen direkten Zugang zum Dachboden der Sebastianskirche. Über das Studentenwohnhaus beim Eingang in den Bruderhof, ehemals ein Spital für Sieche und Arme, kommt man hinauf. Durch die Waschküche im Dachbodenbereich führt der Weg, tief bücken muss man sich an der Stelle, wo die beiden abgewalmten Dächer aneinander stoßen. Dort ist die Türe hinüber in den Kirchen-Dachboden.

Die 270 Jahre alten Dachbalken sind noch original. Freilich haben sie dort, wo sie auf den tragenden Mauern aufsitzen gelitten, weil das Dach selbst ja eine wechselvolle Geschichte hatte. Mit Schindeln bzw. Ziegeln ist es schon lange nicht gedeckt. Im Ersten Weltkrieg musste die damals bestehende Kupferdeckung abgegeben werden – es ging damals nicht nur Kirchenglocken an den Kragen, die Kriegsindustrie benötigte Metall. Dachschalung und Kupferdeckung wurden jetzt erneuert. Die tragenden Pfosten wurden mit neuem Holz verstärkt, man sieht das an den unterschiedlichen Farben des Holzes jetzt deutlich.

Das eigentlich Besondere freilich sieht man nicht: Wenn man in der Sebastianskirche nach oben blickt, glaubt man ein gemauertes Gewölbe zu sehen. Das ist es aber nicht. Das Gewölbe ist eine Konstruktion aus Holz. Die Balken und Bretter hängen unmittelbar am Gebälk des Dachstuhls. An zwei mächtigen Holzbalken, die parallel über fast die gesamte Länge des Kirchenschiffs reichen, sieht man die mächtigen Schrauben und Muttern, die das Gewicht tragen. Die hölzerne Gewölbe-Konstruktion ist an der Unterseite verputzt, so dass sich der Eindruck von Mauerwerk einstellt.

Wenn man schon dort ist, ist es natürlich auch verlockend, im Turm hinaufzusteigen zum Glockenstuhl. Aber das geht wohl bei der Führung am Freitag aus Sicherheitsgründen nicht.

Was verbirgt sich in den beiden säulenartigen Holzverschlägen in Raummitte? Wenn man die seitlichen Klappen aufmacht, sieht man durch schmiedeeiserne Gitter tief unter sich die Sitzreihen in der Kirche. Es sind die beiden Öffnungen im Gewölbe, durch die man früher Figuren hinablassen konnte. "Heiliggeistlöcher" heißt das in der Fachsprache, eben weil auch die Heiliggeisttaube zu Pfingsten so abgesenkt wurde - oder man hat gar eine lebende Taube über den Köpfen der Gläubigen fliegen lassen.

Übrigens: Das prachtvolle Kirchenportal gassenseitig und auch die Türfassungen im Altarraum von St. Sebastian wurden nach 1750 von Franz Anton Danreiter, dem wir auch wundervolle Kupferstich-Veduten Salzburgs, vor allem auch des Mirabellgartens verdanken, entworfen. Danreiter war mutmaßlich der Baumeister dieser Kirche.

1157 Welterbestätten stehen auf der UNESCO-Liste, zwölf davon in Österreich. Seit 1983 wird der 18. April auf Initiative des Internationalen Denkmalrates ICOMOS von der UNESCO als International Day of Monuments and Sites bzw. World Heritage Day begangen. In Anlehnung an diesen internationalen Tag hat die Österreichische Welterbestätten-Konferenz 2020 beschlossen, auch in Österreich einen solchen Aktionstag einzuführen.

Die Führungen im Friedhof von St. Sebastian und auf den Dachboden finden am Freitag (21.4.) ab 14 Uhr statt (Eröffnung 13.30 Uhr). Man muss sich online anmelden. – Das österreichweite Programm in den Tagen rund um den Österreichischen Welterbetag am 18. April – www.welterbetag.at
Bilder: dpk-krie

 

 

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