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Im Epizentrum des gedruckten Wortes

HINTERGRUND / BUCHHANDLUNG HÖLLRIGL

28/02/25 Die Jahreszahl 1294 steht auf dem Dachgesims des Hauses Sigmund-Haffner-Gasse 10. Die Buchhandlung Höllrigl ist dreihundert Jahre jünger, damit die älteste in Österreich und die drittälteste im deutschsprachigen Raum. – Über ein Haus, das in der Zeit der Aufklärung ein intellektuelles Zentrum für Salzburg, Bayern und die deutschsprachigen Länder der Monarchie war.

Von Reinhard Kriechbaum

Seit anderthalb Wochen hat die Buchhandlung Höllrigl wieder geöffnet. Sechs Wochen lang wurde sie restauriert und sehr behutsam modernisiert – ein Facelifting mit viel Sinn für die alte Substanz.

Warum heißt das Gebäude eigentlich Ritzerhaus, der Durchgang zum Universitätsplatz Ritzerbogen? Der Name bezieht sich auf die Familie Rüzen, die das Haus um 1647 bewohnte. Auf dem Areal des Universitätsplatzes befand sich einst der Garten der Petersfrauen (St. Peter hatte im Mittelalter als Doppelkloster auch eine „Frauenabteilung“). Da gab es schon einen kleinen Durchgang zur Sigmund-Haffner-Gasse hin.

Als der „Campus“ der Benediktineruniversität gebaut und der Garten zu einer Piazza im italienischen Stil umgewandelt wurde (damals noch ohne die prägende Fassade der Kollegienkirche), war als städtebauliche Maßnahme auch ein Tordurchbruch durchs Ritzerhaus angesagt, um Fuhrwerken die Passage zu ermöglichen. So entstand 1626 der Ritzerbogen.

Wenn's wahr ist, kamen genau damals die Besitzer des Hauses zu der hofseitig im obersten Stockwerk in einem runden Türmchen untergebrachten Hauskapelle. Angeblich wurde der Bau der Kapelle vom Fürst Erzbischof finanziert, um die Hausherren für den erlittenen Verlust an Wohnfläche durch den Bau des Ritzerbogens zu entschädigen.

Diese Hauskapelle mit wundersamer Stuckdecke ist das Prunkstück des geschichtsträchtigen Hauses, das jetzt der Familie Stierle gehört. Logischerweise ist dieses Barock-Kleinod nicht öffentlich zugänglich, weil es sich im unmittelbaren Wohnbereich der Familie befindet.

Die Stierles (ein Ahn hieß Eduard Höllrigl) betrieben von 1900 an bis 1988 über vier Generationen hinweg die 1598 von Konrad Kürner gegründete Buchhandlung Höllrigl. Kürners Hof-Buchdrucker hieß das Unternehmen damals. Buchhandel war da noch kein eigenständiger Geschäftszweig, die Druckereien vertrieben ihre Erzeugnisse selbst. Ein Buch mit den Messtexten zu Salzburgs kirchlichen Eigenfesten war das erste repräsentative Druckerzeugnis aus dem Hause. Viele Besitzer- und Namenswechsel folgten. Eine wichtige Episode war, als Johann Baptist Mayr von Mayregg (1633–1708) von Fürsterzbischof Guidobald Graf Thun eine neue Druckerpresse geschenkt bekam. Hier entstanden nun auch Mess- und Choralbücher für den Salzburger Dom.

Ab 1784 hieß der heutige Höllrigl Duyle'sche Buchhandlung. Aufmerksame Höllrigl-Kunden erinnern sich vielleicht: Im Kassenbereich hing ungefähr bis Jahresmitte 2022 ein Ölbild mit repräsentativem Landes- und Bischofswappen und der Schrift Kur=fürstlich Privilegirte Hof: und academische Buchhandlung und Buchdruckerei Franz Xaver Duyle. Ein künstlerisch hochwertig gestaltetes Firmenschild also. Aus versicherungstechnischen Gründen kann man das gute Stück nun leider nicht mehr im Verkaufsraum bewundern. Die Stierles verwahren das alte Familieneigentum sicher.

Weit überregionale Bedeutung hatte die nun im Haus selbst befindliche Druckerei von Franz Xaver Duyle (1743–1804) in der Zeit der Aufklärung. Nach 1788 wurden hier die literarische und philosophische Zeitschrift Oberdeutsche Allgemeine Literaturzeitung und die Oberdeutsche Staatszeitung publiziert, und zwar durch den Jesuiten Lorenz Hübner. In diesen Zeitschriften regte Hübner, ein Freund des letzten Salzburger Fürsterzbischofs Colloredo, drastische Reformen der katholischen Kirche an: die Abschaffung des Zölibats ebenso wie ein aktives Zugehen auf Protestanten (nicht unbrisant, denn nur fünfzig Jahre zuvor hatte Erzbischof Firmian 20.000 Protestanten aus Salzburg vertreiben lassen). Lorenz Hübners Werkstätte verkaufte auch andere Zeitschriften und so wurde das Ritzerhaus zu einem intellektuellen Zentrum für den süddeutschen Raum, also Bayern, Salzburg und die deutschsprachigen Habsburg-Länder.

Hundert Jahre später, ab 1897, führte der nunmehrige Besitzer Hermann Kerber den Titel eines K.u.k. Hofbuchhändlers. Schließlich wohnten in der Residenz, nur wenige Schritte weiter, Mitglieder der kaiserlichen Familie.

Zurück ins Heute: Seit Jänner 2024 gehört Höllrigl zur Buchhandelsgruppe Morawa. Der Umbau war aufgrund der teilweise stark beschädigten Einrichtung und veralteten Haustechnik unumgänglich geworden. Hell und luftig wirken die Räume jetzt, dies aber nicht, weil sie ausgeräumt worden wären, sondern weil die Architektin Timea Nagy angehalten war, das neue Einrichtungskonzept der alten Substanz einzuschreiben. Regale und Büchertische sind zwar neu, aber an den alten Plätzen geblieben und sehr zart gehalten. Sehr effizient ist die Beleuchtung, wo zwischen den schwarzen Lichtschienen mit Spots auch die Kristalluster Platz und Funktion behaupten. Die Gewölbe-Lünetten über den Regalen hat man lichtblau tapeziert, mit historisierendem Schwertlilien-Motiv. Ein kosmetischer Eingriff, der Wirkung tut. Die eigentlich für dieses Haus und seine Architektur anachronistische gewendelte Treppe ist erhalten geblieben, aber das Holz wurde aufgehellt „Gemeinsam gewährleisten die lokalen Expertinnen und Experten ein Ergebnis, das der jahrhundertealten Geschichte der Buchhandlung gerecht wird und sie zugleich zukunftsfähig macht“, heißt es in einer Presseaussendung von Morawa. Dem will man dem ersten Eindruck nach nicht widersprechen.

www.morawa.at
Bilder: dpk-krie
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