Haarfeine Striche für den Lindwurm

HINTERGRUND / FÜRSTENZIMMER / RESTAURIERUNG

22/05/25 Restaurieren ist eine heikle Sache. Es darf nicht „geschleckt“ ausschauen, und man sollte Originalzustand und Retusche unterscheiden können. Für den Lindwurm und anderen Fabelwesen auf den Sitzbänken der Goldenen Stube auf der Festung Hohensalzburg hat man zu einer sehr speziellen Technik gegriffen.

Das italienische Wort Tratteggio heißt Schraffur. An den Skulpturen, den Säulchen und den mit Fabelwesen geschmückten Wangen der Sitzbänke kam die spezielle Trattegio-Retusche zum Einsatz. Dabei wird die Fehlstelle durch das Nebeneinandersetzen feinster Striche geschlossen. Aus einigem Abstand wirkt die Stelle farblich in das Original integriert. Erst bei näherer Betrachtung erkennt man die Striche und kann Original und ergänzte Stellen auseinanderhalten.

Die aufwendigen Restaurierungsarbeiten in der Goldenen Stube – im ersten von insgesamt drei Räumen des Prunkraum-Ensembles auf der Festung – sind nun abgeschlossen. „Das Schöne dabei war, dass unsere Gäste am Prozess teilhaben und den Fortschritt hautnah miterleben konnten“, freut sich die Restauratorin Florentina Woschitz. Auch in den nächsten Jahren können Besucherinnen und Besucher den Fachleuten bei ihrer Arbeit auf die Finger schauen. Ab Mitte Mai wird nämlich der nächste Raum der Fürstenzimmer restauriert: die Schlafkammer. Die Befunduntersuchungen dafür sind bereits erfolgt, auch Musterflächen wurden bereits an unterschiedlichen Stellen angefertigt. Wie auch schon die Goldene Stube wird die Schlafkammer während der Restaurierungsarbeiten für Besucher frei zugänglich sein. Der geplante Zeithorizont für die Arbeiten: drei bis dreieinhalb Jahre.

Kurz nach der Wende zum 16. Jahrhundert ließ Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495–1519) über seinen Wohnräumlichkeiten auf der Festung Hohensalzburg die so genannten Fürstenzimmer errichten und äußerst prunkvoll ausstatten. Diese bestehen aus dem Goldenen Saal, der Goldenen Stube und der Schlafstube. Der Goldene Saal besticht vor allem durch seinen weiten, stilisierten sternenübersäten Nachthimmel, seine Erkerfront und die vier mächtigen Säulen. Die Goldene Stube ist bekannt für ihren prachtvollen Kachelofen mit dem feinen, filigranen Dekor, das sich auch in der Schlafstube fortsetzt. In erster Linie dienten diese Räume der Repräsentation.

„Unbekannt ist und bleibt bis heute, wer für Entwurf und Ausführung der Räume verantwortlich war und welche Meister hier ihre kunstvolle Arbeit verrichteten und dieses Gesamtkunstwerk gestalteten“, erläutert die Historikerin Jutta Baumgartner, die sich intensiv mit der Geschichte der Fürstenzimmer beschäftigt hat. Ab dem 17. Jahrhundert fristeten die Prunkgemächer ein unbeachtetes Dasein als Lagerräume, bis man schließlich am Beginn des 19. Jahrhunderts einen Teil des Goldenen Saales sogar für militärische Zwecke heranzog und Soldaten unter dem Sternenhimmel schliefen.

„Mitte des 19. Jahrhunderts wurde unter Georg Pezolt eine erste Restaurierung versucht – allerdings mit wenig restauratorischem Verständnis“, erzählt Jutta Baumgartner. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte man, dieses unglückliche Ergebnis wieder zu beseitigen. Allerdings mit wenig Erfolg. Das Erscheinungsbild der Räumlichkeiten verschlechterte sich zusehends.

Die Blaufassung war stark farbverändert, Flecken zogen sich über alle Bereiche der blau gefassten Flächen als Folgen von Wasserschäden. Und schließlich die Fassung der Schnitzwerke: Es wurden vier Überarbeitungen der Originalfarbe von 1501 nachgewiesen (im 17., 19. und zwei im 20. Jhdt.). „Der typische Blauton wird aus zermahlenem Azurit gewonnen“, erklärt die Restauratorin Florentina Woschitz. Das Besondere sei, dass dann die Oberfläche leicht rau sei.

Im Sommer 2017 begannen die Arbeiten in der Goldenen Stube. „Damals stand die Entscheidung im Raum, die Restaurierung der Fürstenzimmer an ein externes Unternehmen zu vergeben“,. Erinnert sich Maximilian Brunner, Geschäftsführer der Salzburger Burgen und Schlösser. „Da es sich dabei aber um das Herzstück der Festung handelt und es in unserem Team bislang keine Fachkraft für Restaurierungen gab, haben wir beschlossen, diese sensiblen Arbeiten mit eigenem Personal durchzuführen.“ Es wurde eine eigene Restaurateurin angestellt, Florentina Woschitz. „Auch wenn sich dadurch die Umsetzung verlängert, zeichnet sich das Ergebnis durch eine besondere Liebe zum Detail aus – und die Identifikation mit dem Projekt ist spürbar gewachsen“, lobt Maximilian Brunner Florentina Woschitz und ihr Team. (SBS/dpk-krie)

Kurzfilm zur Restaurierung der Fürstenzimmer auf der Festung Hohensalzburg – www.festung-hohensalzburg.at
Bilder: SBS / Filmstills