asdf
 

Ratschlag statt Kahlschlag

HINTERGRUND / GESTALTUNGSBEIRAT / STADTPLANUNG (1)

06/05/16 Der Gestaltungsbeirat hat sich rechtzeitig zu seiner 200. Sitzung am kommenden Dienstag (10.5.) selbst reformiert. Er kämpft auch für historische Baukultur, die in Planungsgebieten eine wichtige Funktion innehat. - DrehPunktKultur-Gastautor Norbert Mayr über die Geschichte und den Ist-Zustand.

Von Norbert Mayr

Der Salzburger Gestaltungsbeirat stellt sich gegen die aggressive identitätszerstörende Tabula-rasa-Mentalität in der Stadt, fordert zeitgemäßes, intelligentes Bauen im und mit Bestand und macht damit Bauträgern, Stadtplanung und -politik keine Freude. ’Jetzt reicht's uns mit dem Gestaltungsbeirat’ - Die Stadt-SPÖ verliert die Geduld mit den Einwänden der Architekten“, titelten die Salzburger Nachrichten am 29. Jänner 2016. Die Rot-Grüne Unterstützungsachse für das international renommierte Gremium hat sich kurz vor der 200. Sitzung am 10. Mai aufgelöst. Als Anlassfall für den Seitenwechsel der SPÖ gelten der Bildungscampus Gnigl und die Wohnanlage anstelle der Riedenburgkaserne. Bei beiden hat sich der Beirat für die Erhaltung identitätsstiftender Bauten eingesetzt. ÖVP und nun auch SPÖ wollen den Begutachtungszeitraum deckeln und die Kompetenzen des Beirats beschneiden, sie nennen das ganze „Reform“.

Der von der Lokalpolitik missbrauchte Begriff „Reform“ führt zurück zum Beginn des Gestaltungsbeirats (GB): Anfang der 1970er Jahre wies die Stadtplanung infolge übertriebener Bevölkerungsprognosen großflächig Bauland aus, u.a. beiderseits der Hellbrunner Allee. Aus opponierenden Bürgerinitiativen wie „Schützt Salzburgs Landschaft“ bildete sich die Bürgerliste, ihr Einzug in den Salzburger Gemeinderat 1977 stellte das herrschende, konsensorientierte Politikmodell der Wiederaufbau-Ära – wesentlich früher als in der Bundespolitik – in Frage. Zur Erhaltung der besonderen Qualität Salzburgs entstand das strukturelle Maßnahmenbündel des sogenannten „Salzburg Projekts“, eine vom Gemeinderat 1986 „feierlich“ beschlossene Grünlanddeklaration, ein verkehrspolitisches Ziel- und Maßnahmenkonzept zur Wiederbelebung des historischen Zentrums und gegen die Zerstörung der historischen Bausubstanz die „Altstadtinitiative“ sowie die sogenannte „Architekturreform“: Initiator Johannes Voggenhuber (Bürgerliste, Stadtrat 1982-87) etablierte 1983 den ersten Gestaltungsbeirat. Das international beachtete und anerkannte Modell der Planungsbegutachtung wurde Vorbild für zahlreiche, ähnlich organisierte Einrichtungen in Europa und hatte das Ziel, die architektonische Kultur zu fördern und ihr Niveau zu heben.

Auch wurden alle bis 1945 errichteten Bauwerke in der Stadt mit Bedeutsamkeitskategorien und Erhaltungsgeboten erhoben, gemäß § 59 Abs. 2 ROG 2009 müssen sie in den Bebauungsplan als Objekte mit stadthistorischer Bedeutung einfließen. Während in den ersten Beiratsperioden ein architekturaffiner Bürger der Stadt bzw. anerkannter Kunsthistoriker den Beirat bereicherten, wurden später ausschließlich Architekten bestellt, bedauerlicherweise fehlten immer wieder LandschaftsarchitektInnen.

Heute braucht der Gestaltungsbeirat keine Reform durch die Stadtpolitik. Er hat sich in den letzten Monaten von Innen heraus reformiert, diesen Prozess förderten neue Mitglieder und Zurufe von überparteilichen Experten der Initiative Um+Bau+Kultur Salzburg. Am 14. März lud der GB zum Hintergrund-Pressegespräch. Vorsitzender Walter Angonese aus Kaltern/Italien hielt ein Impulsreferat zu „Salzburger Zwischenräumen – wie die Stadt sich außerhalb der Altstadt verändert“, Arno Brandlhuber aus Berlin zur „Grauen Energie – zur Umnutzung von Beständen“.

Angonese will „im Zweifelsfall Bestand und Identität sichern“ und verweist auf die Ziele des Räumlichen Entwicklungskonzepts der Stadt (REK): Im Kapitel „Schutzwürdiges nicht nur in der Altstadt“ im REK 2007 wird klargestellt, dass „historisch wertvolle Einzelgebäude sowie entwicklungsgeschichtlich zusammengehörende oder gestalterisch einheitliche Ensembles architektonische und städtebauliche Werte und Entwicklungen“ widerspiegeln und das Stadtbild prägen. Diese und sogar „Kleindenkmäler weisen jeweils einzigartige städtebauliche Werte und Qualitäten auf, die zum besonderen Charakter Salzburgs beitragen und dementsprechend […] zu schützen sind.“ Zudem sind auch „zeitgenössische und/oder baukünstlerisch besonders wertvolle Einzelgebäude auch ab dem Jahr 1945 zu erhalten.“

Einer seit den 1990er Jahren kontinuierlich geforderten Bewertung von nach 1945 errichteten Gebäuden entziehen sich in der Praxis allerdings sowohl Stadtplanung als auch Bundesdenkmalamt. Der ehemalige Landeskonservator Ronald Gobiet kündigte 2006 eine „Überprüfung der Architektur des 20. Jahrhunderts“ an, ebenso 2008 beim Symposium „MODERNE ZWEI Baukultur 1948-1984“, das DOCOMOMO Austria (Documentation and conservation of buildings, sites and neighbourhoods of the modern movement) veranstaltete, konkrete Taten sich auch unter Nachfolgerin Eva Hody keine gefolgt.

Ein Versuch 2009 scheiterte: LK Gobiet wollte das baukulturell bemerkenswerte Paracelsusbad mit Kurmittelhaus (Josef Hawranek, Hermann Rehrl sen. + jun.), die Reste des für die 1950er Jahre in Salzburg ambitionierten Kur- und Kongresshausensembles, erhalten. Bürgermeister Heinz Schaden opponierte massiv dagegen und schlug Gobiets Angebot, gemeinsam mit der Stadt die Architektur ab 1945 zu durchforsten, aus. (Wird fortgesetzt)

Der Architekturhistoriker Norbert Mayr ist Mitglied der Initiative Um+Bau+Kultur Salzburg
Bilder: Archiv Norbert Mayr (2); Stadt Salzburg / Johannes Killer (1)
Zur Folge 2 Lasst das bessere Alte wenn das Neue nicht besser wird“
Zur Folge 3 Erhalten mit Haltung

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014