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Das österreichische Idiom war das Ihre

TODESFALL / GERTRAUD JESSERER

11/12/21 Wer sich noch an die Fernsehfamilie Leitner erinnert, weiß auch noch, dass es Schwarzweißfernseher gab. Eines der Familienmitglieder war Gertraud Jesserer, die aber rasch viel Farbe in ihr Schauspielerinnen-Dasein brachte.

Von Reinhard Kriechbaum

Diese Farbe hat Gertraud Jesserer vor allem Bühnenfiguren der österreichischen Dramatik geschenkt, von Nestroy und Raimund über Schnitzler und Hofmannsthal Molnár und Horvath. Und kluge Regisseure wussten auf ihr charakteristisches Idiom zu bauen – eine Klangfarbe, die unterdessen wenig gefragt ist im deutschsprachigen Theater. Auch auf österreichischen Bühnen.

Familienmitglied bei den Leitners war Gertraud Jesserer nicht von Anfang an, sie war ja noch keine sechzehn, als die Fernsehfamilie 1959 das erste Mal kleinbürgerlichen Österreich-Alltag der Nachkriegszeit auf die Mattscheibe brachte. Die monatliche Stegreifserie lief dann bis 1968. Die Jesserer übernahm die Rolle der Gerti von Heidelinde Weis. Da kam sie blutjung in die Gruppe der damals bekanntesten österreichischen Schauspieler von Alfred Böhm bis Peter Weck, von Asenta Wengraf bis Dorothea Neff. Otto Schenk führte Regie. Ein gutes Stück regionale Fernsehgeschichte.

Gertraud Jesserer hatte es eilig, auf die Bühne zu kommen. Nicht mal den Abschluss im Reinhardt-Seminar hat sie erwartet. Als Vierzehnjährige spielte sie schon in einem Film an der Seite von Romy Schneider (Die Halbzarte). Mit Sechzehn debütierte in Franz Molnars Liliom am Theater in der Josefstadt. Bis 1969 gehörte sie dort zum Ensemble, dann wirkte sie vier Jahrzehnte lang am Burgtheater. Österreichische Filmemacher bauten auch im 21. Jahrhundert immer wieder auf sie als präzise Charakterdarstellerin.

Ein paar Mal (zwischen 1987 und 1997) war sie sommersüber auch bei den Salzburger Festspielen, in Inszenierungen von Jürgen Flimm und Peter Stein: Da war sie die Zufriedenheit in Raimunds Bauer als Millionär, die Frau von Erbsenstein in Nestroys Mädl aus der Vorstadt, die Crescence in Hofmannsthal Der Schwierige und die Sophie in Raimunds Alpenkönig und Menschenfeind. 1995 war sie der Glaube im Jedermann.

Gertraud Jesserer kam am Donnerstag (9.12.) bei einem Wohnungsbrand in Wien ums Leben. Sie war 77 Jahre alt.

Bild: Wikimedia / Franz Johann Morgenbesser

 

 

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