Ein Theater-Brückenbauer im Kalten Krieg

TODESFALL / ACHIM BENNING

30/01/24 Gleich mal auf die Archiv-Seite der Festspiele geschaut: Achim Benning, über Jahrzehnte am Burgtheater als Schauspieler tätig und zehn Jahre lang, von 1976 bis 1986, dessen Direktor, hat doch sicherlich auch in vielen Festspielproduktionen mitgewirkt oder sie verantwortet.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Suche fördert erstaunlicherweise ganz wenig zutage. 1964 spielte er hier eine Rolle in Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor, 1967 in Der Ostwind von einem gewissen Leo Lehman (auch die Festspiele waren und sind vor Eintagsfliegen nicht gefeit). 1970 dann Hamlet (Regie und Titelrolle damals: Oskar Werner). Salzburg war kein Podium für Achim Benning, der heute Dienstag (30.1.) im 90. Lebensjahr verstorben ist. „Mit Achim Benning verliert das Burgtheater einen ehemaligen Direktor und Künstler, dessen unbezweifelbare Verdienste manchmal zu wenig gewürdigt wurden“, so Martin Kušej im Burgtheater-Nachruf.

Achim Benning wurde 1935 in Magdeburg geboren. 1955 begann er in München ein Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte. 1956 kam er für ein Auslandssemester nach Wien und besuchte parallel das Max Reinhardt Seminar. Nach dem Studium engagierte ihn Ernst Haeusserman 1959 als Schauspieleleve an das Burgtheater. Dort war er als Schauspieler in über fünfzig Rollen zu erlebe, etwa als Orestes in Sophokles' Elektra, als Erwin in Die Plebejer proben den Aufstand von Günter Grass, als Graf Warwick in Bernard Shaws Die heilige Johanna, als Duncan in Ionescos Macbett und als Harpagon in Molières „Der Geizige“. Achim Benning war am Burgtheater maßgeblich an der Einführung einer mitbestimmenden Ensemblevertretung beteiligt und fungierte 1970 als der erste Vertrauensmann des Ensembles in der Direktion.

Ab Anfang der 1970er Jahre arbeitete er verstärkt auch als Regisseur. Am Burgtheater inszenierte er u. a. August Strindbergs Der Vater (1973), Maxim Gorkis Sommergäste (1979), George Feydeaus Einer muss der Dumme sein (1980), Georg Büchners Dantons Tod (1982), Klaus Pohls Das Alte Land (1984), Georges Feydeaus Ein Klotz am Bein (1985), Anton Tschechows Der Kirschgarten (1985), Iwan Turgenjews Ein Monat auf dem Lande (1986), Georges Feydeaus Hotel Ultimus (1991), Johann Nestroys Der Zerrissene (1993) sowie Einen Jux will er sich machen (1996).

Als es um die Nachfolge von Gerhard Klingenberg als Direktor des Burgtheaters ging, hätte Thomas Bernhard auf diesen Job gespitzt – Bundeskanzler Sinowatz entschied sich damals aber für Achim Benning, der das Haus von 1976 bis 1986 leitete. Achim Benning öffnete das Burgtheater weiterhin international. Er propagierte das deutsche Regietheater und engagierte Regisseure wie Erwin Axer, Dieter Dorn, Adolf Dresen, Hans Neuenfels, Peter Palitzsch, Johannes Schaaf, Manfred Wekwerth und Leopold Lindtberg. In seiner Direktionszeit inszenierte erstmals eine Frau am Burgtheater, Angelika Hurwicz.

Achim Benning setzte sich für die Stärkung und den Ausbau der Dramaturgie ein und etablierte sie als Partnerin der Direktion und der Regisseure. In der Zeit des Kalten Krieges öffnete er das Haus für kritische oder wenig bekannte Dramatiker wie Václav Havel und Pavel Kohout, deren mit Aufführungsverbot belegte Stücke er auf den Spielplan setzte, bot ihnen so eine Exilbühne und zeigte klare politische Haltung. Das wurde damals von der rechtskonservativen Presse nicht gerne gesehen.

Er öffnete das Burgtheater für neue Regisseur:innen und Autor:innen, bot bedeutenden Schriftsteller:innen aus Osteuropa wie auch der DDR eine Bühne, „Er machte Václav Havel zum Hausautor und wurde zum Brückenbauer zur Zeit des Kalten Krieges“, so Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer. „Er bewies während seines langen Wirkens, wie man lebendiges, ernsthaftes, politisches Theater macht“, heißt es in einem Nachruf der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Denn Achim Benning war nicht nur mit ganzem Herzen ein Mensch des Theaters, er war auch ein hellwacher Zeitzeuge und kluger Beobachter des politischen Geschehens.“
Von 1989 bis zum Ende der Spielzeit 1991/92 leitete Achim Benning das Schauspielhaus Zürich, inszenierte auch im Thalia Theater Hamburg und im Prinzregententheater München – und auch noch in der Ära von Claus Peymann in Wien. Von 1993 bis 2003 war Achim Benning ordentlicher Universitätsprofessor für Regie am Max Reinhardt Seminar (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), nach seiner Emeritierung lehrte er bis 2005 Rollengestaltung.

Achim Benning erhielt 1976 den Berufstitel „Kammerschauspieler“ und erhielt bei seinem Abschied als Direktor die Ehrenmitgliedschaft des Burgtheaters.