Luft von anderen Planten

DIALOGE / IM PORTRÄT / MANFRED TROJAHN

23/11/12 „Es ist doch eine falsche Vorstellung, dass jeder Komponist eine eigene Musiksprache entwickeln soll. Das hat es auch zu Mozarts Zeiten nicht gegeben. Mozart hat genau dasselbe gemacht wie seine Zeitgenossen, nur besser.“ So der Komponist Manfred Trojahn, der – zusammen mit Mozart und Debussy – im Zentrum der Dialoge zum Thema "Luft" stehen wird.

Von Heidemarie Klabacher

„Die individuelle und gesellschaftliche Freiheit, die wir heute für alle anstreben, ist tödlich für die künstlerische Freiheit“, sagte Manfred schon vor Jahren im Gespräch mit Frank Stepanek. „Ein Künstler konnte früher durch Individualität faszinieren, weil es noch nicht viele Menschen gab, die sich Individualität - in jedem Sinn des Wortes - leisten konnten.“

Heute könne sich jeder selbst suchen, was ihn fasziniere, dabei ließen sich viele von „den Versuchungen der Kulturindustrie“ einfangen. „Mozarts Innovationen waren sehr vorsichtig. Als frecher junger Mensch verwendete er manchmal entlegene Tonarten - bei f-Moll hat Papa aber schon geschimpft.“

Bei den Dialogen von 28. November bis 2. Dezember zum Thema „Luft“ geht Manfred Trojahn – besser gesagt, seine Werke - eine „Dreiecksbeziehung“ zu Mozart und Debussy ein:  Auf dem Programm des Eröffnungskonzertes steht die Uraufführung von eines neuen Stücks von Trojahn, das mit zentralen Werken von Debussy korrespondiert. Gespielt wird aber auch die Gran Partita von Mozart, die für Manfred Trojahn eine besondere Bedeutung hat: In seiner Instrumentierung dreier Mozartarien (die Mojca Erdmann singen wird) hat er sich an der  Besetzung der Gran Partita orientiert, genau wie bei seinen Michelangelo-Fragmenten. Beim zweiten Dialoge-Konzert am Donner (29.11.) spielen das Hagen Quartett und das Minetti Quartett Streichquartette von Mozart, Trojahn und Debussy.

Ebenfalls ein Auftragswerk der Stiftung Mozarteum an Manfred Trojahn ist dessen „Libera Me“, das auf einem Fragment in d-Moll von Mozart basiert. Dieses Werk wird beim traditionellen Abend mit Mozarts Requiem uraufgeführt.

Mozart habe wohl eine „unverwechselbare Individualität“ entwickelt, betonte Manfred Trojahn im Interview, „aber nicht willentlich“: „Es ist ihm passiert, im Gegensatz zu den zehntausend Stamitzen und Wagenseils seiner Zeit.“ Damals habe es einen Grundkonsens gegeben, an den sich die Komponisten hielten. Erst an den Abweichungen, so Trojahn, könne man erkennen, wie es um die Individualität des Komponisten stand. „Heute schreiben wir alle unterschiedlich. Das Problem ist die fehlende Grundbasis; wir sind nur noch ‚Individualitäten’.“

Ihm sei manchmal ein Hörer, der sich forttragen ließe von den Produkten seiner Phantasie lieber als der ewige Kritiker, der alles besser weiß und mir nicht folgen möchte: „Diese Kritiker fordern eine ‚eigene’ Tonsprache, verwechseln sie aber mit einer Art ‚Tick’ oder ‚Markenzeichen’, wie es auch Ligetis ‚Mikropolyphonie’ einst war.“ Die Gleichsetzung der Erfindung eines "Ticks" mit der Entwicklung einer eigenen Sprache habe viel zu Missverständnissen um die Neue Musik beigetragen, auch unter den Komponisten selbst, meint Manfred Trojahn. „Manch einer glaubte, eine eigene Sprache gefunden zu haben, in Wirklichkeit war es aber nur ein bisher unbekanntes ‚Quaken’.“

Trojahn definiere seinen ästhetischen Standort in Abgrenzung von einem verengten und sich mehr und mehr verkrustenden Begriff der musikalischen Avantgarde, wie er sich nach 1945 in den Zentren der Neuen Musik etabliert habe, heißt es in der offiziellen Biographie des Bärenreiter Verlages. „Demgegenüber vollzieht Trojahn den ästhetischen und kompositorischen Rekurs auf die musikalische Vergangenheit und auf komponierende Vorbilder, sei es die musikalische Moderne der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert oder seien es Komponisten wie Benjamin Britten und Hans Werner Henze.“

Bilder: ISM/Dietlind Konold