Kasachisches Blut ist kein Himbeersaft

DOKUMENTARFILM / HERMANN PESECKAS

06/03/14 Einen aus dieser Familie kennen Salzburger Theaterfreunde gut: Der 32jährige Juri Dietz ist als Schauspieler in der freien Szene umtriebig. – Wie wenig wissen wir doch über den Migrationshintergrund!

127„Als Russe hast Du hier ein schlechtes Image“, sagt der Schauspieler in einer Szene des Films  „In meinen Adern fließt kasachischer Tee“. Da habe man schlechte Karten.“ Der Salzburger Filmemacher Hermann Peseckas ging über Jahre schwanger mit einem Projekt über Migrations-Exoten in unserer unmittelbaren Nähe: Über einen Zeitraum von vier Jahren portraitierte er die achtköpfige russlanddeutsche Aussiedlerfamilie Diez in ihrer neuen Heimat, dem oberbayrischen Freilassing, unmittelbar an der österreichischen Grenze. Solche wie die Dietz sind dort gar nicht außergewöhnlich: 15 Prozent der ca. 12518.000 Einwohner sind Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Eine ansehnliche Kolonie also. Im benachbarten Salzburg haben die meisten keine Ahnung. „Die Einheimischen betrachten die ‚Russen‘ in erster Linie als SozialschmarotzerInnen, Kriminelle und Alkoholiker“, so die Erfahrung von Hermann Peseckas, der sich die Lage mit der Filmkamera genauer angeschaut hat.

Die Doku, die heute Donnerstag (6.3.) im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“ Premiere hat, rekonstruiert anhand des umfangreichen privaten Foto- und Videoarchivs die Odyssee der Familie Dietz. Die Geschichte nimmt in Kasachstan ihren Ausgang, wohin die Großeltern 1941 nach dem Einfall der Nazis in die UDSSR als potentielle Verräter in Viehwagons von der Wolga deportiert wurden. Erst 1956, nach dem Tod Stalins, endet ihr Dasein als Zwangarbeiterinnen und -arbeiter. 1985 siedelt die Familie in den Wolgograder Bezirk zurück, bis sie 2002 nach Deutschland auswandert. „Gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland landen die Dietz in Hartz4 und 1Euro Jobs“, erfährt man. „Sie kämpfen sich bravourös durch das soziale Unterholz und verfolgen hartnäckig ihre Pläne.“

126Die Eltern, Tatjana (Mitte 50) und Jakob (Ende 50), finden einen fixen Job in einem der großen Supermärkte Freilassings. Der ehemalige Lokführer Jakob als Wagenschieber, Tatjana als Reinigungskraft. In Russland leistete Vitalij (36) noch seinen Militärdienst ab, hier tauscht er die Kalaschnikow gegen die Schere: Im eigenen Friseursalon „Fire Hair“ frönt er seinem Faible zu überdimensionalen Turmfrisuren. Jurij (32) eignet sich in rekordverdächtiger Zeit die deutsche Sprache an und reüssiert als Schauspieler. Sergius (25) will nach seiner Hartz4-Erfahrung Kapitalist werden und arbeitet unermüdlich an seinem Master-Plan: Im Herbst 2011 eröffnet er seinen „Diez Sonderposten Markt“.

Marina (33) baut gemeinsam mit ihrem Mann Jewgenij und den Eltern ein kleines Häuschen. Das karottenfärbige Domizil liegt unübersehbar unterhalb des Bahndamms auf der Bahnstrecke Freilassing-Salzburg. Mit viel Humor, Verve und Fleiß kämpfen sich die Diez voran, doch dann kassieren sie einige herbe Rückschläge, wie z.B. durch das Hochwasser vom Juni 2013.

In meinen Adern fließt kasachischer Tee. Ein Film von Hermann Peseckas & Jurij Diez. Zu sehen ab heute Donnerstag (6.3.), 19 Uhr im „Das Kino“ – www.daskino.at
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Bilder: www.peseckas.at