asdf
 

Angst und Schokolade

KINO / DIE ANONYMEN ROMANTIKER

18/08/11 Regisseur Jean-Pierre Améris bietet seinen Hauptdarstellern Irene Carré und Benoit Poelvoorde die Möglichkeit, ihr Können voll auszuspielen. In einem eher altmodischen Rahmen gelingt dabei eine wundervolle Komödie.

Von Michael Russ

Das Leben ist schwer, wenn man hochsensibel auf andere Menschen reagiert. Besonders wenn diese Reaktion in erster Linie aus Panik besteht. Diese Panik überdeckt dann alles andere, sogar besondere Talente bleiben darunter verborgen. Angelique hat ein solches Talent, sie kann wunderbare Schokoladepralinen kreieren. Bis jetzt hat sie das für einen verständnisvollen Chef gemacht, der ihr erlaubte, zu Hause ihrer Arbeit nachzugehen und ihre Identität geheim hielt. Jeder Rummel um ihre Person würde sie nur blockieren und ihr die Arbeit unmöglich machen.

Hilfe für ihr Problem sucht sie in einer Selbsthilfegruppe, den „Emotifs Anonymes“ den „Anonymen Empfindsamen“ („Anonyme Romantiker“ ist keine besonders treffende Übersetzung, die Probleme der Gruppenmitglieder haben mit Romantik nichts zu tun). Der Tod ihres Arbeitgebers zwingt sie eine neue Stelle zu suchen. Von vielen Ängsten und Unsicherheiten begleitet, macht sie sich auf den Weg zu einer recht altmodischen Schokoladefabrik.

Die Beschreibung des Chefs durch die Angestellten „Er ist hart, sehr hart!“ macht das Bewerbungsgespräch nicht leichter. Firmenchef Jean-René (Benoit Poelvoorde) erweist sich zumindest im Umreißen der Firmensituation wirklich als hart: „Wir stehen vor der Pleite!“ In Angelique sieht er die Rettung - und schon ist sie eingestellt. Wie sie zu spät bemerkt als Handelsvertreterin. Ausgerechnet Angelique, die Angst davor hat, andere Menschen anzusprechen. Aber irgendetwas hat er, dieser neue Chef, daher entschließt sie sich dazu, die Sache zu versuchen.

Er hat wirklich etwas dieser neue Chef – auch Ängste nämlich. Er hat Angst vor Menschenkontakt, am liebsten würde er sich den ganzen Tag im Büro einschließen und nicht einmal ans Telefon gehen. Mit Hilfe eines Psychologen versucht er seine Ängste zu überwinden. Der stellt ihm regelmäßig Hausaufgaben, diesmal soll er jemanden zum Essen ausführen. Jean-René denkt gleich an Angelique, denn dass seine neue Angestellte sehr hübsch ist, konnte nicht einmal ihm entgehen. Und damit nehmen Irrungen und Wirrungen ihren Anfang.

Der Streifen ist völlig auf die beiden Hauptpersonen zugeschnitten. Handlung und Nebenrollen fungieren eigentlich nur als Füllstoff. Isabelle Carré und Benoit Poelvoorde stemmen dieses Konzept mit Leichtigkeit. In ihrer unauffälligen Schönheit ist Isabelle Carré einfach entzückend und überzeugt sowohl als unsichere von Ängsten geplagte Frau, als auch als routinierte Chocolatiere, die den anderen „Romantiker“ wortgewaltig die Vorzüge ihrer Produkte schildert. Benoit Poelvoorde gibt den ängstlichen Fabrikanten genauso souverän wie den cholerischen, rassistischen, von sich selbst überzeugter Beamten in „Nichts zu verzollen“, der auch gerade in den Kinos läuft.

Regisseur Jean-Pierre Améris legt seinen Film so altmodisch an wie die Schokoladefabrik. Angelique darf sogar einmal durch eine Einkaufspassage marschieren und dabei ein Liedchen trällern. Aber dieser Weg erweist sich als richtig, der Film ist eine gute Mischung aus berührend und lustig. Dabei schlägt er weder in die eine noch in die andere Richtung zu sehr aus. Wer Wert auf gutes Handwerk und viel Humor legt, ist in diesem Film bestens aufgehoben.

Bilder: Polyfilm



 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014