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Wohin mit den übernatürlichen Kräften?

IM KINO / CHRONICLE

02/05/12 Selten lässt einen ein Hollywood-Film derart schockiert zurück. Nicht einmal „The Dark Knight“ – das Opus Magnum düsterer Superheldenfilme – hat es geschafft, einen so schonungslos mit seiner eigenen dunklen Seite zu konfrontieren...

Von Andreas Öttl

Man würde meinen, dass das Superhelden-Genre keinen Platz mehr für originelle Ideen bietet – ist es doch in den letzten Jahren von Hollywoods Marketing-Maschinerie ausgepresst worden wie kaum ein anderes. Und doch haben es die beiden jungen Filmemacher Max Landis und Josh Trank mit ihrer gemeinsam entwickelten Story geschafft, dem Genre neue Seiten abzugewinnen. Ihre größte Leistung haben sie dabei schon vollbracht ehe sie noch eine Sekunde Filmmaterial abgedreht haben: indem sie die Studiobosse von ihrer radikalen Idee überzeugt haben. Umso bemerkenswerter, dass sie diese auch ebenso kompromisslos umsetzen durften.

Denn ihr Superhelden-Film ist eigentlich keiner. Helden gibt es keine, und schon gar keine Monster oder sonstige bösen Mächte welche die Welt zerstören wollen. Die Bedrohung kommt in diesem Fall einzig und allein von innen, von den Charakteren selbst. Und versöhnliches Ende – so viel darf man verraten – gibt es ebenso wenig. Mit den Hollywood-Konventionen wird auch insofern gebrochen als dass am Schluss durchaus noch Fragen offen bleiben.

Die Idee der Geschichte beruht im Grunde auf einer einfachen Frage: wie würde ein Durchschnittsbürger damit umgehen wenn er plötzlich übernatürliche Kräfte hätte? Im konkreten Fall geht es um drei Highschool-Schüler, die im Wald ein seltsames Loch mit mysteriösem blauen Gestein finden. Am nächsten Tag verfügen die drei Teenager plötzlich über telekinetische Fähigkeiten. Nach den ersten harmlosen Spielereien entdecken die Freunde bald, dass ihren neu erworbenen Fähigkeiten scheinbar keine Grenzen gesetzt sind und es dauert nicht lang bis diese Macht dunkle Seiten zum Vorschein bringt die bisher unter der Oberfläche der Jugendlichen schlummerten. „With great power comes great responsibility“ hieß es noch bei „Spider-Man“. Aber so wie sich die Dinge im Laufe der Geschichte entwickeln, ist zu befürchten dass die drei den Film nie gesehen haben...

Um der zugegebenermaßen abstrusen Prämisse Glaubwürdigkeit zu geben, ist der gesamte Streifen im Found Footage Stil gedreht, in der Art von Filmen wie „Blair Witch Project“ und „Cloverfield“ bekannten. Da wird vorgegeben, dass der Zuschauer reales, von Charakteren selbst aufgenommenes Filmmaterial sieht. In diesem Fall filmt der Nerd der Gruppe (wer sonst?) – der unbeliebte Außenseiter Andrew – sämtliche Ereignisse mit seiner Digitalkamera, die er dank Telekinese an jeden beliebigen Ort positionieren kann. Mit diesem „Gimmick“ umgehen die Filmemacher auf clevere Art und Weise eine der üblichen Limitierungen der Found Footage Filme. Denn anstatt der für das Publikum sehr anstrengenden Wackelbilder, die in den Szenen vor dem übernatürlichen Vorfällen noch dominieren, ist der Rest relativ normal gefilmt und kann trotzdem einen gewissen Anspruch auf Authentizität stellen, auch wenn dieser noch so hypothetisch ist.

Authentisch ist „Chronicle“ aber vor allem aufgrund der Charaktere. Diese sind zwar nicht frei von Klischees, aber komplex. Die beiden Autoren nehmen die Figuren ernst, die nur unwesentlich älter sind als sie selbst. Die fatalen Entwicklungen des Drehbuchs sind somit an jeder Stelle nachvollziehbar, wenn auch nicht alles psychologisch ausgereift ist. „Chronicle“ ist flott inszeniert, die mangelnde technische Perfektion wirkt im Found Footage Kontext stimmig. Doch dennoch macht sich – etwa in den Actionszenen – das im Verhältnis enorm kleine Budget von lediglich 12 Millionen Dollar bemerkbar. Das Dilemma: Der Streifen möchte trotz seiner Ursprünge als persönlicher Autorenfilm im Grunde gerne im Konzert der Großen mitspielen. Seine Wirkung verfehlt der unbequeme Film dennoch nicht.

„Chronicle“ läuft im Cineplexx
Bilder: Century Fox / www.chronicle-derfilm.at

 

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