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Fest im Leben

IM KINO / DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN

26/02/13 Selbstbewusste Trainerin von Killerwalen verliert bei „Arbeitsunfall“ im Fischbecken beide Unterschenkel und gewinnt mit Hilfe eines heruntergekommenen leichtkriminellen Kickboxers mit vernachlässigtem Sohn wieder Lebenslust und Freude.

Von Heidemarie Klabacher

Kaum zu glauben, dass aus diesen Zutaten kein katastrophales Rührstück wird. Regisseur Jacques Audiard erzählt die Geschichte von Stéphanie und Ali beinahe dokumentarisch. Mitleid – mit sich selbst oder anderen - hat Matthias Schoenaerts als Kickboxer Ali nicht im Emotions-Repertoire. Darum begegnet er der versehrten Sportlerin mit genau der selbstverständlichen Coolness, ja Rücksichtslosigkeit, die Marion Cotillard als Stephanie braucht, um aus Verzweiflung und Lethargie auftauchen – um auch ohne Unterschenkel wieder auf die Beine kommen zu können. Geschwätzig sind beide nicht, das tut dem Film ebenfalls gut.

Es beginnt im südfranzösischen Nirgendwo, aus dem plötzlich Alis fünfjähriger Sohn Sam auftaucht. Ali, eine gestrandete Existenz, findet bei seiner Schwester Unterschlupf - und bei einer Sicherheitsfirma einen Job. Ali und Stéphanie lernen sich bei einer Schlägerei in einer Disco. Hier kommt Stéphanie noch mit einem blutigen Kratzer am Finger davon. Erst nach ihrem folgenschweren Unfall erinnert sich die erfolgreiche Sportlerin an den heruntergekommenen Türsteher.

Die Geschichte nach dem Buch von Craig Davidson nimmt manche schräge ironische Wendung. So gibt es etwa die Vereinbarung der beiden, jeweils nach kurzer SMS-Anfrage sexuellen Kontakt zu pflegen. Angefangen hat es damit, dass Stéphanie ausprobieren wollte, ob „es“ nach dem Unfall noch geht. Dass Stéphanie, als sie selbst auf Prothesen wieder gehen kann, Alis Managerin für blutige (und illegale) Hinterhofkämpfe wird, ist auch so ein unerwarteter Querschläger.

„Der Geschmack von Rost und Knochen“ ist zudem vielschichtig, ohne sich wirklich bedeutungsschwanger zu gebärden, ohne den dokumentarischen Charakter im Sentiment einzubüßen: Stéphanie also macht ihren Weg zurück ins Leben. Ali und Stéphanie finden einen gemeinsamen Weg in die Zukunft. Ali findet einen Weg aus seiner zwielichtigen Existenz, mit Nebenjobs wie dem Anbringen illegaler Überwachungskameras, langsam heraus (während Regisseur Jacques Audiard auf diesem Weg einen Schlenkerer massiver Sozial- und Wirtschaftskritik auch noch hinein bringt). Und Ali findet einen Weg zu seinem Sohn.

Dieser führt – im Wortsinn - über brüchiges Eis: Sams Unfall gegen Schluss des Filmes ist die einzig wirklich irritierende Szene: „Muss das jetzt auch noch sein“, fragt man sich. Noch dazu geht die Musik von Alexandre Desplat – die den ganzen Streifen hindurch mit Opulenz und Understatement gleichzeitig eingesetzt wurde – in diesen Szenen gleichfalls durch in Richtung purer Kitsch.

Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts, die ihre Figuren mit größter Selbstverständlichkeit „verkörpern“, führen den Film aus diesem vorübergehenden Tiefpunkt aber noch ein letztes Mal zurück zu dokumentarischer Sachlichkeit. Man ist auf einem guten Weg. Und „sicher“ ist nichts.

Bilder: www.der-geschmack-von-rost-und-knochen.de





 

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