FILMKRITIK / HOW TO BE NORMAL

23/09/25 Seit seinem Kurzspielfilm Erdbeerland aus dem Jahr 2012 – einer gelungenen Beobachtung des Teenagerlebens in der österreichischen Provinz – galt Florian Pochlatko als Nachwuchshoffnung des österreichischen Films. Warum es trotz seines familiären Backgrounds (sein Vater und Bruder sind als Filmproduzenten tätig) so lange gedauert hat bis zu seinem Langfilmdebüt, darüber durfte bisher nur spekuliert werden.

Von Andreas Öttl

Bei der Salzburg-Premiere von How to Be Normal and the Oddness of the Other World meinte der Regisseur dazu nur vielsagend: Er sei an die falschen Leute geraten und der lange Kampf, den Film finanziert zu bekommen, ist nun der Grund, warum dieser nun so aussieht wie er aussieht. Nämlich nicht wie ein typischer österreichischer Arthouse-Film.

Pia (Luisa-Céline Gaffron) ist Mitte zwanzig und irgendwie verloren. Frisch aus der Psychiatrie entlassen, kehrt sie in das alte Kinderzimmer im Haus ihrer Eltern zurück und nimmt einen Aushilfsjob im Büro des Vaters (Cornelius Obonya) an. Doch alles scheint irgendwie verändert, seit sie wieder draußen ist. Die Wunden der Vergangenheit sitzen tief und niemand glaubt mehr, dass Pia auch nur halbwegs „normal“ ist. Einzig der zwölfjährige Nachbarsbub Lenni (Lion Thomas Tatzber) ist von ihr fasziniert. Er fühlt sich in seiner Welt aus Schule, Hausaufgaben und durchgetakteter Freizeit ähnlich gefangen wie Pia. Elfie (Elke Winkens), Pias Mutter, wird von ihren Sorgen, dass Pias Krankheit wieder ausbrechen könnte, zerfressen und verliert sich selbst fast. Und Vater Klaus setzt alles daran, Pia nach seinen Vorstellungen in die Welt zu integrieren und sie wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

How to Be Normal and the Oddness of the Other World versucht die (im Film nicht klar definierte) psychische Erkrankung der Protagonistin und die Folgen für ihr Umfeld nicht nur zu thematisieren, sondern ist formal konsequent darauf ausgerichtet, ihr Innenleben zu visualisieren. Das Resultat ist ein ständiges Spiel mit den Wahrnehmungsebenen und zugleich ein konstanter – und sehr erfrischender – Bruch auch mit der filmischen Normalität. In dieser Hinsicht ist Pochlatkos Film sehr gelungen. Glaubt man fachkundigen Stimmen bei der Publikumsdiskussion, so sind selbst die extremen Momente des vom Regisseur offensichtlich sehr gut recherchierten Films nicht übertrieben und weniger schlimm als die Realität von Betroffenen.

Weniger organisch wirkt jedoch die Überladung mit popkulturellen Referenzen und die diversen Cameo-Auftritte von Figuren der österreichischen Kreativszene. Die poppige, an amerikanische Indie-Filme und Netflix-Serien angelehnte Ästhetik mag noch stimmig sein, genauso wie die Musik von Avantgarde-Komponistin Rosa Anschütz. Eher holprig wirken jedoch die an Hollywood-Blockbuster und Kultfilme wie Fight Club erinnernden Filmzitate, die eher mit der filmischen Sozialisation des Regisseurs zu tun haben als mit der Welt der Protagonistin. Dies ist vor allem deshalb schade, weil manche Szenen durchaus zeigen, dass der Regisseur selbst gute Ideen hat.

In einer herausfordernden Rolle überzeugt Hauptdarstellerin Luisa-Céline Gaffron, eine in Wien geborene Schauspielerin, die bisher vor allem in Deutschland gearbeitet hat und 2020 bei den Salzburger Festspielen in Peter Handkes Stück Zdeněk Adamec debütiert hat.

Für die vielleicht berührendsten Momente des Films sorgt die von Elke Winkens gespielte Mutter, die eindringlich zeigt, wie schwierig es auch für eine Mutter ist, mit einer psychisch kranken Tochter umzugehen. Cornelius Obonya hingegen agiert etwas zu klischeehaft in der Rolle des gefühlskalten Vaters.

Florian Pochlatkos Debütfilm How to Be Normal and the Oddness of the Other World ist jedenfalles ein origineller und sympathischer Streifen. Ein bunter Farbklecks im österreichischen Kino, das zu oft nur auf den immer gleichen Wellen reitet, anstatt auch einmal gegen den Strom zu schwimmen.

Derzeit zu sehen auch im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“ – www.daskino.at
Bilder: Golden Girls Film