Beflügelt vom verblendeten Jubel-Volk

HINTERGRUND / DOKUMENTARFILM / ANSCHLUSS

08/03/18 In Linz beginnt's – der Spruch, mit dem man dort Jahre lang Tourismuswerbung betrieben hat, soll von Helmut Qualtinger stammen. „In Linz begann's“ heißt eine Fernsehdokumentation von Martina Hechenberger und Thomas Hackl über Hitlers Auftreten in Linz unmittelbar nach dem Anschluss.

Von Reinhard Kriechbaum

Am 11. März 1938 hatte Bundeskanzlers die berühmte Rundfunkrede gehalten mit der Aussage, dass man der Gewalt weiche. In den frühen Morgenstunden des 12. März passierten die ersten größeren Einheiten der Deutschen Wehrmacht die deutsch-österreichische Grenze. Hitler überschritt am Nachmittag dieses Tages die österreichische Grenze, gegen 20 Uhr unter unbeschreiblichem Jubel in Linz ein und hielt vom Balkon des Rathauses eine kurze Rede: „Wenn die Vorsehung mich einst aus dieser Stadt heraus zur Führung des Reiches berief, dann muss sie mir damit einen Auftrag erteilt haben und es kann nur ein Auftrag gewesen sein, meine teure Heimat dem deutschen Reich wiederzugeben.“

Wie erlebte die Bevölkerung diese Tage im März 1938? Martina Hechenberger und Thomas Hackl machen sich auf die Spurensuche nach den Hintergründen dieser dramatischen Zeit in Linz und Oberösterreich. Historiker, Zeitzeugen und Archivare geben in der Dokumentation Einblicke.

Hitler bekam in diesen Tagen jedenfalls in Linz einen Jubel zu spüren, der ihn seine Pläne ändern ließ: Erst hier beschloss er – beflügelt von der begeisterten Kulisse – den ursprünglichen Plan einer „Personalunion“ der beiden Staaten Deutschland und Österreich zugunsten eines sofortigen und vollständigen „Anschlusses“ zu verwerfen. Diesen Entschluss teilte Hitler am 13. März bei einem Mittagessen in seinem Quartier, dem Hotel Weinzinger an der Unteren Donaulände, den zehn geladenen „verdienstvollsten“ und „treuesten“ oberösterreichischen Nationalsozialisten mit. Noch am Nachmittag des 13. März wurde das in Linz konzipierte „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ von der österreichischen Bundesregierung in Wien unterzeichnet.

Historiker, Zeitzeugen und Archivare förderten für diese Dokumentation oft Erstaunliches zutage. Im Zuge des Einmarsches in Linz fragte Hitler beispielsweise sofort nach „seinem guten alten Dr. Bloch“, dem jüdischen Hausarzt seiner verstorbenen Mutter und nannte ihn einen „Edeljuden“. Die Nationalsozialisten wollten Eduard Bloch in der Folge zum „Ehrenarier“ machen, doch der Arzt lehnte diese zweifelhafte Ehre ab.

Dieser bescheidene Anflug von Großzügigkeit soll nicht darüber hinwegtäuschen, wie schnell der Antisemitismus überhandnahm. Noch während Hitler bis zum Vormittag des 14. März in Linz weilte, setzten die ersten größeren Verhaftungswellen ein.

Erstausstrahlung am Samstag (10.3.) um 21 Uhr in ORFIII, weiters am 13.3. um 13.50 auf 3SAT. Vorpremiere im Schlossmuseum Linz am Freitag, 8.3., um 19 Uhr. Dort ist bis 13. Jänner 2019 die Sonderausstellung „Zwischen den Kriegen. Oberösterreich 1018-1938” zu sehen – www.landesmuseum.at
Bilder: MinaPictures.at