Ein U-Boot-Motor und eine „Amtshandlung“

HINTERGRUND / GLOCKNERSTRASSE

15/07/22 Wie kam ausgerechnet der Dieselmotor eines abgewrackten Unterseeboot in die Alpen und dort ziemlich hoch hinauf in Richtung Großglockner? In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als die Inflation galoppierte, hat man nichts weggeschmissen, was noch funktionierte. Der starke Motor taugte noch.

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist eines der Schmankerl rund um den Bau der Großglockner Hochalpenstraße in den Jahren 1930 bis 1935. Für den Bau des Hochtor-Tunnels brauchte es eine Güterseilbahn, und die wiederum galt es mit Strom zu versorgen. Dazu verwendete man dieses Dieselaggregat, das zuvor in einem U-Boot gute Dienste geleistet hatte. Österreichs Marine war ja mit Ende des Ersten Weltkriegs passé. Er stand übrigens beim Glocknerhaus auf der Kärntner Seite der Großglockner. Bis zu 1.700 Arbeiter waren in den Sommermonaten dür dieses herausfordernde Straßenbauprojekt tätig, 1932 sogar über 2.350. Das erforderte also nicht wenig Logistik.

Eines dieser Überbleibsel ist das mit Schindeln beschlagene Wegmacherhaus. Es liegt in 2.262 Metern Seehöhe an der Fuscher Lacke und beherbergt die Dauerausstellung über den Bau dieser Alpentransversale. Dieser Tage wurde die modernisierte Präsentation wiedereröffnet. Man kann sie wie die anderen Präsentationen entlang der Hochalpenstraße kostenlos besuchen.Zu sehen sind neben Original-Objekten auch erstmals hochauflösend digitalisierte Bewegtbilder und interaktive Installationen zur Entstehungsgeschichte.

Diese beginnt natürlich nicht erst mit den ersten Spatenstichen und Sprengungen, sondern mit einem Treffen, das als Mittersiller Amtshandlung‘ in die Annalen eingegangen ist. Das war 1922, also vor hundert Jahren. Es ging um die Frage, ob Alpen-Routen zwischen Salzburg und Kärnten überhaupt machbar seien. Konkret eben um die Trassierung der heutigen Großglockner Hochalpenstraße von Fusch nach Heiligenblut sowie um die Verbindung über den Felber Tauern von Mittersill nach Matrei in Osttirol. An letzterer hatte Tirol größtes Interesse, denn Osttirol war von Innsbruck aus seit dem Verlust Südtirols nur über italienisches Gebiet zu erreichen. Zwischen dem Radstädter Tauern und dem Brenner gab es auf 156 km Luftlinie keinen anderen befahrbaren Alpenübergang.

Nun also eine Amtshandlung, sprich: ein Treffen Vertretern des Bundes und der Länder Salzburg, Kärnten und Tirol. Ein Touristiker war auch schon dabei. Der tatkräftige Franz Rehrl war gerade Salzburger Landeshauptmann geworden. Von staatlicher Seite hatte man die Beschäftigung tausender Arbeiter im Sinn. Und die noch junge Autobranche betrieb Lobbyismus. Würde fortan jemand „als Gast eines Automobilisten oder in einem Autobus“ die neue Glocknerstraße befahren, dann würde der wohl „den steten Wunsch besitzen, selbst ein Automobil zu besitzen, um freizügig die Vorteile des eigenen Wagens erfassen zu können“, konnte man damals lesen. Ob der Zusammenhang von Großglockner Hochalpenstraße und Autokauf wohl einmal verifiziert worden ist?

Bilder: Großglockner Hochalpenstraßen AG / Franz Neumayr