Widerstand hat viele Gesichter

HINTERGRUND / ORTE DES GEDENKENS / ST. JOHANN

27/12/23 Theresia und Alois Buder halfen Karl Rupitsch, dem Anführer der Goldegger Deserteurs- und Widerstandsgruppe zu flüchten. Neben dem Ehepaar Buder unterstützten auch deren Nachbar Kaspar Wind und dessen Mitarbeiterin Margarete Oblasser die Deserteure in Goldegg.

Theresia und Alois Buder halfen Karl Rupitsch, dem Anführer der Goldegger Deserteurs- und Widerstandsgruppe zu flüchten. Neben dem Ehepaar Buder unterstützten auch deren Nachbar Kaspar Wind und dessen Mitarbeiterin Margarete Oblasser die Deserteure in Goldegg. Alois Buder und Kaspar Wind wurden am 28. Oktober 1944 in Mauthausen hingerichtet, Theresia Buder war im KZ Ravensbrück interniert und kam knapp vor Kriegsende im Februar 1945 ums Leben.  

Der Wettbewerb für die Gestaltung des dritten Erinnerungsortes an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Bundesland Salzburg im Rahmen des Projekts „Orte des Gedenkens“ ist abgeschlossen: Die Jury unter dem Vorsitz von Hannes Sulzenbacher hat sich einstimmig für die Einreichung der Künstlerin Tatiana Lecomte entschieden. Erinnert wird an die Familie Buder, die Fluchthilfe leistete. Realisiert wird das Projekt nächstes Jahr in St. Johann.

Karl Rupitsch wurde am 28. November 1943 wegen Schwarzschlachtens verhaftet und im Gerichtsgefängnis im heutigen St. Johann eingesperrt. Kaspar Wind und anderer befreiten Rupitsch aus dem Gefängnis.  Alois Buder beherbergte Rupitsch einige Tage in seiner Wohnung und brachte ihn dann mit einem Lastwagen nach Taxenbach in ein Versteck der Familie Oblasser. Rupitsch blieb untergetaucht, auch weil er dem Einberufungsbefehl in die deutsche Wehrmacht nicht Folge leisten wollte.

Mit ihrem künstlerischen Projekt Was geht zuhause vor greift die Künstlerin Tatiana Lecomte zentrale Forschungen der Projektgruppe auf, mit denen sie auf zweierlei Weise eine Auseinandersetzung mit der Geschichte initiiert“, sagt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder von der Projektgruppe „Orte des Gedenkens“: Zum einen werden ein Jahr lang mit den Pongauer Nachrichten monatlich Beilagen versendet, die wie Rezeptkarten zum Sammeln gestaltet sind und auf irritierende wie sinnstiftende Weise mit Theresia und Alois Buder verknüpft werden. „Zum anderen setzt Lecomte markante Zeichen im Stadtraum, die mit zwei Texttafeln in die Un-Sichtbarkeit nationalsozialistischer Propaganda intervenieren.“

Tatiana Lecomte schlägt die Umbenennung beziehungsweise offizielle Benennung des sogenannten Kleinen Parks zu „Theresia und Alois Buder Park“ vor. Wie die Forschungsergebnisse der Projektgruppe zeigen, wurde das Parkareal kurz nach dem „Anschluss“ 1938 angelegt. „Mit der neuen Platzbenennung einher geht eine öffentliche Würdigung von Personen, die sich nicht dem Unrechtregime gebeugt haben und dadurch ihr Leben verloren haben“, betont Hildegard Fraueneder. Außerdem soll mit einer erläuternden Texttafel das weithin sichtbare Fresko an der südlichen Außenmauer der Anna-Kapelle, „Heimkehr der Soldaten“ von Switbert Lobisser, aus dem Jahr 1941 kontextualisiert werden. Es ist der dritte Erinnerungsort im Rahmen des Projekts „Orte des Gedenkens“ und wird im Mai 2024 in St. Johann eröffnet werden.

Wer aktiv und offensiv Widerstand leistete, war in der Regel auf die Hilfe von anderen angewiesen“, sagt der Historiker Albert Lichtblau. Menschen im Widerstand mussten mit Lebensmittel versorgt werden, brauchten medizinische Versorgung im Notfall, Kleidung und vor allem eine möglichst sichere Unterkunft, Transport oder Warnung bei Gefahr im Verzug. „Das klingt leichter, als es war. Alle, die halfen, und war es eine noch so kleine Hilfestellung, gefährdeten immer auch sich selbst. Weil das NS-Regime jeden Widerstand mit 'Sippenhaft' verband, waren auch Familienmitglieder in Gefahr“, betont Lichtblau.

Die Künstlerinnen Bettina Egger, Sabrina Kern, Martin Krenn, Tatiana Lecomte und Anna Witt aren zum Wettbewerb für das Projekt in St. Johann eingeladen worden. In der Jury saßen Künstlerinnen, Historiker, sowie Vertreterinnen und Vertreter des Landes wie der Stadtgemeinde St. Johann. Die Projektgruppe leistete zuvor historische Recherche, die den Teilnehmerinnen zur Verfügung standen.

„Man hat gemerkt, dass es nicht eine einzelne Aktion ist, sondern es soll auch was bewirken in der Gemeinde, wie wir mit unserer Vergangenheit umgehen“, sagt Bürgermeister von St. Johann im Pongau, Günther Mitterer (ÖVP) zu dem ausgewählten Projekt. Für die historische Aufarbeitung der Biografien diente auch das Privatarchiv der Familie Buder als wichtige Quelle, das bislang unbekannte Fotografien und Dokumente enthielt. Das Ehepaar Buder hinterließ einen Sohn, Walter, der von seiner Großmutter aufgezogen wurde. Mit der Witwe von Walter Buder und deren Sohn wurden im Vorfeld mehrere Gespräche geführt.

Die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ will verschiedene Aspekte des Widerstands thematisieren: Nach dem christlich-sozialen Widerstand von Georg Rinnerthaler in Neumarkt am Wallersee und dem kommunistischen Widerstand von Agnes Primocic in Hallein sollen in dem finalen Projekt die Fluchthilfe und der Unterstützungswiderstand  thematisiert werden.

Zur Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in Salzburg finanziert das Land Salzburg im Lauf von sechs Jahren in jedem politischen Bezirk die Realisierung eines temporären Gedenk- und Erinnerungsortes. Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Die temporären Kunstprojekte werden in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt. Nach der Eröffnung wird das Thema auch in mehreren Diskussionsabenden, Veranstaltungen und Workshops in der Gemeinde weiter beleuchtet. (OdG / Stefanie Ruepp / dpk-klaba)

www.ortedesgedenkens.at
Bilder: Orte des Gedenkens / Privatarchiv Buda