SCHMIEDE HALLEIN / FAUST
19/09/25 Mein persönlicher Favorit ist ein Kanarienvogel. Er sitzt fröhlich auf einem Verkehrszeichen in Hallein. Das Drumherum ist deutlich weniger erfreulich: Die Bewohner haben allerlei durchs Hochwasser im Sommer 2021 unbrauchbar gewordenen Hausrat und zerstörtes Mobiliar vor ihren Häusern angehäuft.
Von Reinhard Kriechbaum
Nicht für alle war's offenbar ein Desaster, das Vögelchen hat seine Freiheit gefunden. Das ist nicht der einzige positive Aspekt in dem zehnminütigen Film Out of Nowhere von Kris Hofmann. Freilich hat man zuerst nichts zu lachen und der Träger der Virtual-Reality-Brille erlebt den Starkregen und fürchtet schon, nasse Füße zu bekommen, so wie das Wasser bei den Türen ins Haus sprudelt. Die Stimme aus dem Off: Es ist die Erzählung einer Halleiner Lehrerin, die sich ans Unwetter erinnert. Sie berichtet aber auch davon, wie wichtig die Renaturierung der Salzach ist. Da flattern die Schmetterlinge und die Libellen. Der Film verdient nicht nur das Prädikat „pädagogisch wertvoll“ sondern auch das Etikett „Hoffnungsspender“.
Kris Hofmann ist eine von zweihundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der diesjährigen Schmiede in Hallein. Aus 23 Ländern kommen diese Leute jeden Alters, unterschiedlichster künstlerischer und technischer Disziplinen. Was genau sie machen und wie die Ergebnisse ausschauen? Das kann man am Vormittag des dritten Schmiede-Tages beim Presserundgang bestenfalls erfragen, aber kaum noch sehen. Kris Hofmanns Virtual-Reality-Produkt ist eines der wenigen bereits herzeigbaren Dinge. Grundsätzlich geht es bei der Schmiede ja darum, dass Menschen zusammenkommen, Neugier füreinander und die Arbeit der anderen entwickeln und sich inspirieren lassen. Das funktioniert so gut, dass viele schon seit Jahren kommen und auch schon ihre Kinder mithaben. In einem Raum in der Saline ist sogar eine Krabbelstube eingerichtet.
Für Ernsthaftes ist da Platz, für Rätselhaftes – und für Verspieltes. Schmiede-Leiter Rüdiger Wassibauer zeigt im Vorbeigehen einen sprechenden Kaffeeautomaten. Die Frauenstimme verwickelt ihn tatsächlich in ein Gespräch, stellt ein paar Fragen. Und Kaffee gibt’s auch wirklich.
Faust ist das Thema der 23. Schmiede. Zehn Tage Arbeiten, Experimentieren, Entwickeln. Marscha Beuchel von der Fachhochschule ist gleich mit 25 jungen Leuten da, die aus allen Kontinenten kommen. Sie selbst kommt vom Mode- und Textildesign her und beschäftigt sich mit „interaktiver Kleidung“. Konkret arbeitet sie in diesen Tagen mit Menschenhaar, das sie zu High-Tech-Schmuckstücken verarbeitet. Die Dinge werden also etwas tun, wenn man sie trägt oder berührt, etwa die Farbe wechseln.
Der Spanier Roger Pibernat arbeitet am Laptop an einer Graphic novel über den Faust-Stoff. Ein paar Tische weiter werkt Paul Takunda Chiwona. Er lebt in Wien, hat aber Wurzeln in Afrika. Ihn interessiert, was mit unseren Daten passiert. Gerade forsche er über „digitalen Kolonialismus in Simbabwe“, erzählt er, der sich als „Künstler und Forscher“ beschreibt. Daten schreibt er auf Thermopapier, auf dem Notizen also rasch wieder verloren gehen. Da werde deutlich, dass Daten also auch etwas Verlustgefährdetes sind.
Man könnte also von Arbeitstisch zu Arbeitstisch gehen und würde allerlei Anregendes, Verblüffendes, auch Eigenartiges finden. Mit Elektronik und Biologie experimentiert ein Team, das Computer mit so wenig (natürlicher) Energie wie nur möglich zu betreiben sucht. So sollen beispielsweise Unwetterwarnungen auch wirklich dort aufpoppen, wo man sie braucht. Selbst mit Möbeldesign mit nachhaltigen Materialien und sogar mit landwirtschaftlichem Wissen um „fermentierende Kulturen“ beschäftigen sich Schmiede-Teilnehmer.
Was sich im Wrestling-Labor abspielen wird, bleibt abzuwarten. Die beiden Künstler dort sprechen von einem „experimentellen Kampftheater“, Schmiede-Leiter Rüdiger Wassibauer von einem „Gesamtkunstwerk“. Es wird stark drauf ankommen, was die Teilnehmer mitbringen. Ein gerüttelt Maß an Neugier muss man als Besucher des reichhaltigen Schmiede-Programms schon haben.
Wie man aufs Thema Faust gekommen ist? Die geballte Faust sei eben ein kraftvolles Symbol der Revolution und des Kampfes, erklärt Rüdiger Wassibauer. Aber natürlich ist der Begriff literarisch konnotiert, steht für den Konflikt zwischen menschlicher Gier, Ambition, Sehnsucht und den langfristigen Konsequenzen von Entscheidungen. Wer angesichts der KI den Teufel an die Wand malt, ist mittendrin im Spannungsfeld zwischen Faust und Mephisto. „In Zeiten wo wir uns immer weniger auf unsere Sinne verlassen können betritt KI die Bühne. Diese Welle scheint von vielem gezeichnet, aber nicht von Neugier und Vertrauen, Grundlagen der Kooperation. KI schaffe gesellschaftlich einen „faustischen Moment“, sagt Wassibauer.
„Eine Faust ist kein Symbol der Kooperation oder des Vertrauens. Doch Vertrauen sind in unseren Augen die Grundlage, sich einzulassen und neugierig zu bleiben, um soziale Kompetenzen nicht zu verlieren und unsere Kreativität gemeinsam zu schöpfen.“ Die Schmiede, so Wassibauer, stehe „für einen hoffnungsvollen, neugierigen selbstbestimmten Weg“. Vertrauen und Kreation, die offene Hand, sei also wichtiger als Wettbewerb und Ziel. „Dafür lohnt es sich, die Faust zu erheben.“
Die Schmiede25 dauert bis 27. September – www.schmiedehallein.com
Bilder: Schmiede Hallein (1); dpk-krie (3)