MITTERSILL / KOFOMI
23/09/25 Gegenmusik? Das können, wie sich in Mittersill zeigte, ganz unterschiedliche Dinge sein. Etwa eine Videoinstallation mit eben diesem Titel von Harun Farocki, dessen Bilder zum großen Teil von Überwachungskameras stammen und eine kritische Auseinandersetzung mit Überwachung, Arbeitswelt und Kriegsführung sind. Oder eine Gruppenimprovisation von Künstlern und Publikum mit Steinen über eine Spielanleitung von dem amerikanischen Komponisten Christian Wolff.
Antimusik/Gegenmusik war das Thema des 29. Komponist*innenforum Mittersill von 14. bis 20. September. Gemeint waren damit Musik und andere Kunstformen, die traditionellen Konventionen widersprechen und akzeptierte Kunstdefinitionen in Frage stellen. Das beherzte Einnehmen von Gegenpositionen oder die Suche nach Gegenmodellen sei auch in der Politik wichtig, so Vizebürgermeister Felix Germann in seiner Eröffnungsrede.
Praktische Beispiele aus einer Vorstellrunde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Dienstag (16.9.): Erzählungen mit Klängen (Natalia Pschenitschnikova), Videodokumente (Christof Ressi, Elisabeth Flunger, Benedikt Alphart und Roman Gavryliuk), ein virtuoses musikalisiertes Selbstporträt (Matthias Bauer) und eine musikalische Performance mit Didgeridoo, Stimme und Bandoneon (Maria Lucchese). Eine spannende Reise durch kreatives Schaffen also.
Am Montag, 15. September 2025 jährte sich der Todestag des Komponisten Anton Webern zum 80. Mal. Im ersten Forumskonzert am Montagabend in der St. Annakirche in Mittersill standen die Beiträge von Natalia Pschenitschnikova (Orgel) und Matthias Bauer (Kontrabass) in direktem Zusammenhang mit Weberns Musik. Das gesamte Konzert wurde von einem Video der Künstlerin Lia Karl begleitet, dem die Beiträge der übrigen Teilnehmer musikalisch folgten: Christof Ressi und Zahra Mani mit elektronischen Klangfolgen, Elisabeth Flunger mit einer Klangstudie mit Metallobjekten, Benedikt Alphart und Roman Gavryliuk mit Elektronik und Maria Lucchese mit einer Oceandrum-Performance. Anschließend an dieses Konzert zeigten die Lichtspiele Mittersill auch aus Anlass des Todestages von Anton Webern den Film Geblendeter Augenblick. Anton Weberns Tod von Gert Jonke.
Zwei Künstler aus dem diesjährigen Kofomi – Natalia Pschenitschnikova und Wolfgang Seierl - hatten bereits im Frühjahr am Festival Supergau teilgenommen, die zwei Supergau-Künstler Benedikt Alphart und Roman Gavryliuk wurden im Gegenzug zur Teilnahme am kofomi 2025 eingeladen. Von Montag bis Donnerstag fand der Workshop Listening Together, I Find My Voice unter der Leitung von Zahra Mani mit den Schülern des BORG Mittersill statt. Kollektives Improvisieren und das Erfinden und musikalisieren von Geschichten standen im Zentrum der Präsentation am Donnerstagvormittag, die mit einem von den Schülern vorgetragenen Popsong endete.
Teil des Kofomi war auch ein Konzert mit dem Minguet Quartett im Felberturm Museum Mittersill. Zwischen Werke von Mozart, Schönberg, Mahler und Brahms streuten Kofomi-Teilnehmer neue Töne ein. Der Beitrag des ukrainischen Musikers und Komponisten Roman Gavryliuk gab der Veranstaltung einen weiteren Aktualitätsbezug: in der Ukraine gibt es Applikationen für Mobiltelefone, die vor bevorstehenden Drohnenangriffen warnen. Diese App war auf einigen Mobilgeräten während des Konzerts aktiv und vermittelte, wie Menschen relativ nah von uns entfernt unter ständiger Bedrohung und Gefahr leben. Die Warnsignale waren während des Konzerts mehrmals zu hören und machten bewusst, was um uns herum in der Welt an Beängstigendem passiert, während wir uns dem Kunstgenuss hingeben.
Im Schlusskonzert am Samstag (20.9.) in der „Halle für alle“ im Schulzentrum Mittersill zeigte die bildende Künstlerin Lia Karl eine Assemblage-Installation mit gefundenen Objekten und Steinen (Lithophonie des Wassertragens). Natalia Pschenitschnikova begab sich in ihrer Performance auf die Suche nach der Chupacabra, in die sie Feldaufnahmen aus Mexico einfließen ließ. Maria Lucchese (Theremin) und Matthias Bauer (Kontrabass) spielten ein Duo mit dem Titel Alchemia organica. Elisabeth Flunger ging mit ihrem Beitrag Momente der Antimusik für Sprechstimmen und Video sehr konkret auf das Forumsthema ein. In sechs von den Teilnehmern gesprochenen Texten erläuterte sie ihre Erfahrungen mit Grenzbereichen des Musikalischen. Zwischen diesen Texten spielte Benedikt Alphart seine Komposition Off the Rails für Acousmonium, einem 8-Kanal-Lautsprecherorchester. Ebenfalls für Acousmonium war die dreiteilige Komposition von Roman Gavryliuk Triptych: Statements. Die Komposition Ménage à Trois wurde von Christof Ressi (Elektronik), Maria Lucchese (Stimme) und Elisabeth Flunger (Schlag-Zeug) gespielt. Christof Ressi zeigte anschließend sein interaktives Computerspiel Game over, gespielt von Roman Gavryliuk. Am Schluss eine Kollektivimprovisation Chaos Royale.
kofomi.com
Bild: Kofomi
Zum Vorbericht Was hilft das beste Konzert ohne Publikum