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Bocksbart. Storchenschnabel. Küchenschelle.

BUCHBESPRECHUNG / WASSERHUBER / BLUMEN EINST UND JETZT

15/09/16 Blumen sollte man schon mögen. Aber selbst, wer Veilchen bisher nur kandiert, Hagebutte nur als Tee und Gänseblümchen, lat. Bellis perennis, nur als Salat-Deko wahr- oder zu sich genommen hat, wird die vielfarbigen Pretiosen in Feld und Flur schon nach dem ersten Durchblättern von „Blumen einst und jetzt“ mit anderen Augen sehen.

Von Heidemarie Klabacher

Es ist eines der schönsten Bücher der letzten Jahre: „Blumen einst und jetzt“ ist mehr als eine Pflanzenkunde oder ein botanisches Sachbuch. Mit Staunen blättert man in der aufwändig und liebevoll gestalteten bibliophilen Kostbarkeit der Gegenwart, die eine einzigartige Buch-Rarität der Barockzeit zugänglich macht.

Angefangen hat es im Barock Da hat der 1683 in Regensburg geborene Apotheker Johannes Wilhelm Weinmann von 1737 bis 1745 das gesamte botanische Wissen seiner Zeit zusammengetragen und nach Pflanzennamen alphabethisch geordnet in vier dicken Bänden  herausgegeben. Wie ein einzelner, wenn auch heraussragender, Augsburger Apotheker allein dieses geballte Pflanzen-Wissen „aus allen vier Welt-Theilen“ (Australien kannte man damals noch nicht) bewältigen konnte, erstaunt die Experten bis heute.

Die vier „Folio-Bände“ im Format 25 mal 38 Zentimeter (also etwas größer als „Blumen einst und jetzt“) enthalten insgesamt 1025 Kupferstichabbildungen.

Diese wurden von einem Team aus Kupferstechern in Augsburg geschaffen, die zugleich Verleger und Herausgeber zeichnen. Gedruckt wurde das verlegerische Großprojekt ebenfalls in Augsburg.

Eine der wenigen komplet erhaltenen Ausgaben der vierbändigen „Pytanthoza Iconogafia“ Weinmanns hat sich in der Klosterbibliothek von Stift Heiligenkreuz erhalten. Die meisten Exemplare wurden über die Jahrhunderte zerlegt und zur Gewinnmaximierung die wundscherschönen Blätter einzelweis verkauft.

Aus den 1025 Kupferstichen des Originals hat der Autor für „Blumen einst und jetzt“ sechzig Tafeln ausgewählt. Er hat sich für Pflanzen entschieden, die damals wie heute im Wienerwald vorkommen, diese die nicht nach Alphabet, sondern nach Jahreszeiten geordnet und jedem Kupferstich ein modernes gestochen scharfes Porträtfoto der jeweiligen Blume gegenübergestellt.

Auf den Bildtafeln sind jeweils mehrere Verwandte zu sehen, die Pflanze, die gemeint ist und dem modernen Foto entspricht, ist diskret markiert. Auch Nicht-Botaniker blickt durch und ist begeistert. Vegetation ändert sich über dreihundert Jahre: Im Anhang gibt es einige Fotos von Blumen, die Wilhelm Weinmann nicht erfasst oder die es seinerzeit im heutigen „Biosphärenpark Wienerwald“ einfach nicht gegeben hat. So fasziniert der Bildband „Blumen einst und jetzt“ als Dokument für pflanzenkundliches Wissen und für buchmacherisches Können – jeweils einst und jetzt.

Man erfährt was über Blumen, ihr Vorkommen und ihre Standorte… Das ist quasi die erste Ebene. Man erhält zugleich einen faszinierenden Einblick in die Buch des Barock und einen Einblick in ein rares bibliophiles Meisterwerk. (Bis zum Nachdruck des originalen Marmor-Vorsatzpapiers reicht die Sorgfalt von Autor und Verlag). Im Anhang wird ein kurzer präziser Blick in die Werkstatt der Augsburger Kupferstecher geworfen und die aufwändige Herstellung der vier Bücher von Weinmann erklärt. Eine präzise Einordnung in Zeit- und Wissenschaftsgeschichte „des Weinemann“ gehört ebenso dazu, wie ein kurzes Porträt des Wienerwaldes aus der Feder eines Botanikers.

Der Autor Gerhard Wasshuber ist selber interessanterweise kein Botaniker oder Biologe, sondern Drucktechniker. Das schlägt wohl auch in der besonders liebevollen Gestaltung des Bandes durch. Er hat jedenfalls solche Pflanzen ausgewählt, die damals wie heute im Wienerwald zu finden sind.

Im Bildteil stehen Kupferstichabbildungen und gestochen scharfe moderne Fotografien der Pflanzen vor schwarzem Hintergrund einander gegenüber. Also die kolorierten Kupferstich-Blumen der Barockzeit in der Klosterbibliothek Heiligenkreuz ihren farbfotografierten Nachfahren im Biosphärenpark Wienerwald.

Im Textteil gibt es kurze botanische Erläuterungen in heutigem Deutsch und heutigen Druckbuchstaben sowie „barock-deutsche“ Originaltexte in Frakturschrift. Der gelernte Drucktechniker und Lehrbeauftragte für Drucktechnik an der TU Graz hat wert gelegt auf sinnfällige und gut lesbare Schrift-Typen.

Die barocken pflanzenkundlichen Beschreibungen klingen etwa so, wie folgender Auszug aus dem Text über das Leberblümchen: „… Es blühet das Edel Leber-Kraut im Frühling, im Mertz und April … Es hat diese Pflantze ein kaltes und trockenes Temperament, und kann zimlich stark anziehen. Außer dem, erfrischet sie und reinigt auch das Geblüt. Es eröffnet aber die verstopfte Leber und Miltz nicht allein, sondern es stärcket und erfrischt dieselbe auch; folglich ist es den von Geilheit gantz entkräfteten dienlich. Die neueren Aertzte halten es auch vor ein gutes Wund-Kraut … Aus dem drey- biß viermahl über frische Leber-Kraut-Blätter und Wurtzeln abgezogenen Regen-Wasser, das vornehmlich im May gefallen, wird ein gutes Schminck-Wasser gemacht.“

Gerhard Wasshuber: Blumen einst und jetzt. Klosterbibliothek Heiligenkreuz – Biosphärenpark Wienerwald. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2015. 208 Seiten, 36 Euro - www.pustet.at
Bilder: Verlag Anton Pustet/Wassmann

 

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