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Handfest immateriell

BUCHBESPRECHUNG / KULTURERBE

04/11/21 Was der Lungauer Samson und das „Christkindlanschießen“ auf der Festung, das Ranggeln am Hundstoa bei Saalfelden oder das Singen des Lieds „Stille Nacht“ fast in jeder Familie miteinander zu tun haben? All diese liebgewordenen Salzburger Bräuche und Rituale stehen auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts.

Von Reinhard Kriechbaum

Im Vorjahr hat das Land Salzburg eine Broschüre zum Thema herausgebracht, unter dem Titel Salzburgs Immaterielles Kulturerbe. Michael J. Greger, der Leiter des Landesinstituts für Volkskunde, hat die Traditionen, die bis zu diesem Zeitpunkt (Juli 2020) auf der UNESCO-Liste standen, knackig beschrieben. „Fertig“, wird eine solche Auflistung ja nie, so gut wie jedes Jahr wird die Liste ergänzt. Erst dieser Tage ist mit Garnierspenzer, Hut und Steppmieder ein neuer Punkt dazugekommen – die prachtvolle Festtagstracht in den Gebirgsgauen.

Es mag ja für den volkskundlichen Laien ein erstaunliches Sammelsurium beisammen stehen auf der Liste des immateriellen Kulturguts: Zwischen dem „Stille Nacht“-Singen und dem Gasteiner Perchtenlauf, zwischen dem feinsinnigen Spiel der Salzburger Marionetten und dem eigenwillig-bunten Treiben der „Vereinigten“ in Tamsweg mag es wenig Parallelen geben. Es ist viel so recht Populäres dabei – das Knallen der Aperschnalzer hat man in den ersten Wochen des Jahres in den Umlandgemeinden der Landeshauptstadt oft im Ohr – und so manch weniger Geläufiges. Dass Spitzenklöppelei vor allem in Flachgau oder das „Heilwissen der Pinzgauerinnen“ Themen sind, ist vielleicht nicht so vielen Menschen gegenwärtig.

Der Tresterertanz am Vorabend von Dreikönig, der nicht so oft zu sehende Dürrnberger Schwerttanz, die Knallerei der Prangerstutzen-Gruppen – das ist natürlich landestypisch. Wie man auf die UNESCO-Liste kommt, ist freilich eine Frage auch von emsigem Lobbying. Da gibt es emsige Betreiber, aber auch an Öffentlichkeit weniger interessierte Brauchträger, und das macht gerade eine solche Auflistung in Buchform deutlich. Warum stehen die Rauriser Schnabelperchten nicht schon längst auf der Liste? Bewusst wird einem beim Durchblättern auch, dass die Aufnahme in die UNESCO-Liste nicht unmittelbar damit zu tun hat, ob ein Brauch gefährdet ist. Generell gilt ja: Bräuche stehen generell wieder hoch in Kurs, sie verändern sich zwar (oder werden bewusst verändert), aber vom Aussterben bedroht sind eingebürgerte gesellschaftliche Rituale in den seltensten Fällen. Eher werden Dinge wiederbelebt, von denen man in den vergangenen Jahrzehnten nur mehr vom Hörensagen wusste.

Gut auf alle Fälle, dieses Buch in der Hand zu haben. Man kann es dann einordnen, wenn am 24. Dezember zu Mittag von der Festung herunter kracht und man bei klarem Wetter kleine Rauchwölkchen über der Kuenburg-Bastei aufsteigen sieht. Mit Prangerstutzen wird zwar laut, aber nicht scharf geschossen, und das macht die Sache ungefährlich, auch wenn der eine oder andere Schütze dem Zielwasser zuspricht.

Michael J. Greger (Hg.): Salzburgs Immaterielles Kulturerbe. Traditionen aus dem österr. Verzeichnis des IKE der UNESCO. Salzbuerger Beiträge zur Volkskunde, Bd. 27. 122 Seiten, € 12.-
Weiterführender Lesestoff zum Thema: Reinhard Kriechbaum/Erika Scherer, Salzburger Brauch. Rupertus-Verlag, Goldegg 2016
Zum Bericht In Frack, Juppe oder Pinzgauer Tracht

 

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