Doppeladler und Markuslöwe

BUCHBESPRECHUNG / ÖSTERREICHS SPUREN IN VENEDIG

21/12/10 Venedig als eine Stadt der Monarchie? Die italienische Geschichtsschreibung ist bekanntlich nicht frei von Chauvinismus, deshalb gibt es nur wenige Untersuchungen zum Thema. Eugen Semrau setzte sich auf die Fährten der Österreicher in der Serenissima.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber auch für Österreich waren die insgesamt sechzig Jahre (aufgeteilt in drei Phasen), in denen die Lagunenstadt zur Monarchie gehörte, so glorios nicht. "Mehr gefürchtet als geachtet, manchmal insgeheim bewundert, sind die Österreicher in Venedig immer ein Fremdkörper geblieben", befindet Eugen Semrau. "Im habsburgischen Ordnungsdenken gefangen, haben sie in den Einwohnern dieser Stadt nur Untertanen gesehen und nicht ein eigenständiges Volk mit jahrtausendealten Traditionen und Werten, die die eigene Kultur hätten bereichern können."

Dessen ungeachtet: Spurlos sind die Monarchie-Phasen nicht an der Venedig vorüber gegangen. Die Eisenbahnbrücke, die die Statione Sta. Lucia mit dem Festland verbindet, wurde damals gebaut (1846). Die bis heute gültige Nummerierung der Häuser - haben Sie schon mal eine bestimmte Adresse in Venedig gesucht? - war ebenfalls eine Leistung habsburgischer Beamter, die auch die Idee hatten, zwei Lagunen-Inseln zusammenzulegen und dort eine Art "Zentralfriedhof", den Campo Santo San Michele anzulegen. Was Salzburger aufhorchen lassen sollte: Der Physiker Christian Doppler war einer der ersten Österreicher, der dort bestattet wurde.

Gar nicht so glücklich waren die Österreicher mit dem Opernhaus La Fenice. In den Opernstoffen fanden sich Sujets, die den Zensoren sauer aufstießen. Eine Oper auf Victor Hugos "Le roi s'amuse" war ihnen zum Beispiel entschieden zu stark, und so kam es, dass in Verdis "Rigoletto" kein gekröntes Haupt, sondern der Herzog von Mantua hinter der Tochter des Hofnarren her ist.

Und als die Österreicher Hof hielten in Venedig, gingen sie als Beamte oder Militaristen mit ihren Ehefrauen zu Empfängen. Das wäre keinem adligen Venezianer je eingefallen. Die Frauen hatten deshalb statt dem ehelichen Gespons einen "Cicisbeo" (einen dienstbeflissenen Frauenversteher) zur Seite. Jetzt wurden sie als Gattinnen "salonfähig" gemacht. Adieu Cicisbeo! Ein Wunder, dass die Österreicher nicht wirklich beliebt waren?

Eugen Semrau: Österreichs Spuren in Venedig. 160 Seiten. Styria premium, Graz 2010. 24,95 Euro