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Schöner wohnen

BUCHBESPRECHUNG / ZENTRUM DER MACHT

17/11/11 Die Sache hat Gewicht für die Salzburger Landeskunde: ziemlich genau drei Kilogramm, was bei tausend Seiten zwischen vier Buchdeckeln (es geht um zwei Bände) nicht überrascht. Das Thema: „Zentrum der Macht“, also die Salzburger Residenz.

Von Reinhard Kriechbaum

altZur Vollform läuft Roswitha Juffinger, die Leiterin der Residenzgalerie, auf, wenn sie über die Karriere von Erzbischof Colloredo ins Plaudern kommt: Ein knackiger Twenty war er, und schon hatte er es als Jung-Jurist in Rom an die „Rota“, den päpstlichen Gerichtshof, gebracht. Da hatte er regelmäßig mit dem Papst persönlich zu tun und er erfuhr alles, was so lief, aus erster Hand (oder noch früher). Kein Wunder also, dass er es als Dreißigjähriger schon zum Bischof von Gurk und bald drauf auf den Salzburger Fürsterzbischofsstuhl brachte.

Solchen Vernetzungen auf die Spur zu kommen, Seilschaften und Lobbyisten zu identifizieren – das macht Spaß. Die Herausgeberin der beiden Bände erzählt spannend davon. Wenn man also die Bände „Zentrum der Macht“ durchblättert und aufs Erste mal mehr knöcherne Wissenschaft argwöhnt, stimmt das nur zum Teil. „Wenn wir die kleinen Geschichten haben, gewinnt das Haus an Leben“, versichert Roswitha Juffinger.

Und sie erzählt und erzählt und erzählt. Zum Beispiel vom Hofzwerg Johann Franz von Meichelböck. Dass die Sitzbänke im Thronsaal der Residenz gar so niedrig sind, hatte mit dessen Körpergröße zu tun. Man durfte damals zwar ungestraft „Zwerg“ sagen zum kleinwüchsigen Höfling, aber die Tischler hatten wohl den Auftrag, political correctness walten zu lassen.

altDort, wo man jetzt während der Kunst- und Antiquitätenmesse ermattet einen Kaffee trinkt, war übrigens der persönliche Rückzugsraum von Erzbischof Harrach. Da entledigte er sich der Puderperücke und stülpte sich stattdessen ein Zwirnhäubchen über. „Er hat Tonnen von Schokolade gegessen“, weiß Roswitha Juffinger, „und er trank französischen Wein“. Mit einer hatnäckig immer wieder erzählten Legende gilt es aufzuräumen: Mit Pferden sind die Carabinieri (und auch nicht die Gäste) die breite Prunkstiege in der Residenz hinaufgeritten.

War also nicht schlecht, hier Landesfürst zu sein. Oder doch? Hieronymus Graf Colloredo hat bis heute eine üble Nachrede, weil er angeblich so ganz und gar nichts übrig hatte für die Kunst und Mozart hat gen Wien ziehen lassen. Falsch, er war doch kunstsinnig, weiß man längst. Aber eben ein Aufklärer und nicht kein Barockmensch mehr.

Um die Baugeschichte und Kunstausstattung der Residenz geht es im ersten Band. Die Biographien der Stukkateure seien wissenschaftliches Neuland, heißt es. Siebzig Jahre lang ist gebaut worden (ab ca. 1600), bis die von Wolf-Dietrich angedachte Residenz tatsächlich ihr bis heute gültiges Gesicht hatte.

altDie Salzburger Kunstsammlungen, heute weit zerstreut, sind Thema des zweiten Bandes. Von den einst tausend Bildern im Besitz der Erzbischöfe konnte immerhin fast ein Drittel, dreihundert Werke, identifiziert und wieder aufgestöbert werden.

Die Residenz war politisches Macht- und Kunstzentrum des Fürsterzbistums. Gelebt haben die Erzbischöfe freilich nur im Winter hier, die warme Jahreszeit verbrachten sie im Schloss Mirabell. „Schöner wohnen“ war nicht das Problem der Salzburger Potentaten.

Zentrum der Macht. Band 1: Die Salzburger Residenz 1668-1803. Band 2: Salzburger Kunstsammlungen. Residenzgalerie Salzburg, 2011. 34,90 Euro – www.residenzgalerie.at
Bilder: Residenzgalerie Salzburg
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