asdf
 

Geschichten vom Durchlauferhitzer

BUCHBESPRECHUNG / EINZINGER / BARFUSS INS KINO

03/12/13 1983 hat Erwin Einzinger sein Prosadebüt im Residenz Verlag veröffentlicht. Dreißig Jahre später ist der Autor nicht nur sechzig, sondern hat auch einen neuen Gedichtband - „Barfuß ins Kino“ - veröffentlicht. „Die Leute fragen mich manchmal: Sind das überhaupt Gedichte, was du da schreibst?“

Von Harald Gschwandtner

400Seit einigen Jahren erscheinen die Bücher von Erwin Einzinger nun bei Jung und Jung in Salzburg. „Barfuß ins Kino“ ist der mittlerweile vierte Gedichtband, den Einzinger seit 2008 veröffentlicht hat. „Lyrik auch für solche, die normalerweise keine Gedichte lesen“, schrieb Sebastian Fasthuber damals im Standard – und das war natürlich ein Kompliment.

Die Lyrik Erwin Einzingers ist Formen der Kurzprosa oft näher, als traditioneller gebundener Rede. Vor allem scheinen Typographie und Benennung zu allererst diese Texte zu „Gedichten“ zu machen. „Die Leute fragen mich manchmal: Sind das überhaupt Gedichte, was du da schreibst? Ja, wie ihr es nennen wollt, ist mir egal. Von der Verdichtung her sind es für mich Gedichte“, sagte er einmal in einem Interview.

Was Einzingers Gedichte dabei zu einer so vergnüglichen wie fordernden Lektüre macht, hat sich seither nicht wesentlich verändert – der Sound seiner Lyrik ist unverkennbar, im besten Sinne. Danach gefragt, wovon diese Texte nun eigentlich handeln, kommt man schon einmal ins Grübeln. Und das nicht nur, weil – Vorsicht, Gemeinplatz! – Lyrik nicht allererst vom Inhaltlichen her zu denken ist. Form und so. Weniger die Handlungsarmut, die manchem Vertreter der einheimischen Literatur schon zum Vorwurf gereichte, stellt hier die Herausforderung dar, sondern viel eher Einzingers Tendenz zum Handlungsüberschuss. Ja, was sich da alles tut, am Land, in der Welt. Nur hinschauen muss man halt genau!

Jeden Tag um elf
Auf der schwarzen Tafel neben dem Eingang zum Restaurant stand
In schwungvoller Schrift mit weißer Kreide: Heute äthiopischer Eintopf.
Unten an der Anlegestelle machte ein alter Raddampfer
Halt & wurde von einem Mann in einem Tom-&-Jerry-Leibchen
Mit Freudentänzen willkommen geheißen, welche in Wahrheit einer jungen
Dame mit hohen Schuhen galten, die bald danach über den
Landungssteg trippelte, ein Reisetäschchen in der Linken schlenkernd.
Eine Lachmöwe rastete kurz am Holzgeländer neben der Hütte. […]

402Wovon und von wem ist nun bei der Lektüre etwas zu erfahren? Bei einer Lektüre, die, es wurde schon verraten, eine höchst erfreuliche Angelegenheit ist? Von seltsamen Alten etwa, die von ihren Großneffen gebeten werden, „wieder Geschichten vom Durchlauferhitzer“ zu erzählen, oder von kreativen Vergleichen aus der Arbeitswelt: „‚Was die Fransen für den Teppich, das bist du für das Klima / Im Betrieb: eine jenseits aller Zweifel angesiedelte, gesunde / Mischung aus Zierde & Notwendigkeit‘, verrät er der vormaligen / Praktikantin, die sich zu seiner Freude nun zu bleiben entschlossen hat.“ Auch eine Art prodesse et delectare.

Und wo, wenn nicht bei Einzinger, findet der „ungekrönte König der Bratwurstfreude“ Eingang in ein Gedicht? Eben.

Oft sind es die Skurrilitäten des Alltags, die geschildert und zu einem „Festival der Neuigkeiten“ vereint werden. Erfasst mit einem wohlwollenden, genauen Blick. Geschildert aus einer Erzählposition, die immerfort mit dem Leser und der Distanz zu ihm kokettierend – bei Einzinger traditionell – seltsam unangreifbar bleibt, sich trotz der zur Schau gestellten Leutseligkeit beständig aus der Affäre zu ziehen weiß. Und die gerade deshalb so schwierig zu beschreiben (und mit anderem zu vergleichen) ist.

Die Nüsse reifen
Donner über dem Zementwerk.
Später wird sich herausstellen, daß kurz zuvor die
Hand eines möglicherweise von hirnrissigen
Argumenten oder Amphetaminen ein wenig aufgeputschten
Diskutanten beim gemeinsamen Abschluß=
Abendessen beinahe im Gulasch gelandet wäre.
Doch sagt uns nicht die Philosophie, daß all dies
& so vieles andere letztlich völlig bedeutungslos ist? […]

Erwin Einzinger erfindet sich dabei keineswegs neu. Muss er auch nicht! Mehr vom Guten – schon jetzt die Vorfreude auf kommende „Gesammelte Gedichte“ – ohne verkrampft nach dem scheinbar Besseren oder gar dem modisch Marktförmigen zu suchen.

Erwin Einzinger: Barfuß ins Kino. Gedichte. Verlag Jung und Jung, Salzburg, Wien 2013. 141 Seiten, 22 Euro  - jungundjung.at

Heute Dienstag (3.12.) werden im Literaturhaus die Gläser erhoben. Erwin Einzinger und Elisabeth Reichart (wie Einzinger 1953 in Oberösterreich, aber ein ganzes Stück nördlicher, geboren) präsentieren um 20 Uhr auf Einladung des Literaturforums Leselampe ihre neuen Lyrikbände und feiern gemeinsam ihren Sechziger. Ein lyrischer Abend mit festlichem Ausklang. Was will man mehr!

Zum dpk-Porträt von Elisabeth Reichart Tränen der Mädchen schmecken nach Zitronengras

 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014