Der späte Doppler-Effekt: vierzehn Nobelpreise

LESEPROBE / CLEMENS M. HUTTER / CHRISTAN DOPPLER

17/02/17 „Der für die Menschheit bedeutendste Salzburger“ ist der gar nicht bescheidene Untertitel der Biographie von Christian Doppler, die der Salzburger Journalist Clemens M. Hutter im Verlag Anton Pustet herausgebracht hat. Vielleicht wird es jene nicht freuen, die den Mozart-Effekt als merkantil und die Persönlichkeit bildend höher einschätzen. Was die Naturwissenschaft anlangt, steht Dopplers Bedeutung ganz außer Frage. Eine Leseprobe.

Von Clemens M. Hutter

Was sollten die Menschen im 19. Jahrhundert mit dem Doppler-Effekt anfangen? Sie konnten ihn weder medizinisch noch technisch nutzen. Da es keine Autos gab, bestand kein Bedarf an Radar, ohne Flugverkehr brauchte niemand ausgefeilte Navigationstechniken und die Medizin träumte noch nicht einmal von der Sonografie. Der Doppler-Effekt beschäftigte zu dieser Zeit also nur Physiker und Mathematiker.

Christian Doppler prägte am 25. Mai 1842 in seinem Vortrag „Über das farbige Licht der Doppelsterne“ vor der Prager Akademie diesen Kernsatz: „Wenn man von den Licht- und Schallwellen als Ursachen der Licht- und Schallempfindungen spricht, muss man darnach fragen, in welchen Zeitintervallen und mit welcher Stärke diese Schwingungen vom Auge oder vom Ohre irgend eines Beobachters aufgenommen und empfunden werden. Von diesen rein subjectiven Bestimmungen hängt die Farbe und Intensität einer Lichtempfindung oder die Tonhöhe und Stärke irgend eines Schalles ab.“

Doppler stand damals kein geeignetes Verkehrsmittel zur Verfügung, um die Veränderung von Schallwellen experimentell nachzuweisen, denn das Zeitalter der Eisenbahn erreichte Prag erst 1845. Dem niederländischen Physiker und Meteorologen Christoph Buys-Ballot (1817–1890) kam aber 1843 die Idee, „den von Herrn Doppler zur Sprache gebrachten Einfluss der relativen Geschwindigkeit eines tönenden Instruments auf die wahrgenommene Tonhöhe durch direkte Versuche nachzuweisen“ – und zwar auf der Ende 1843 fertiggestellten ersten niederländischen Bahnlinie zwischen Utrecht und Amsterdam. Auf dieser 35 Kilometer langen Strecke schafften die Züge eine Geschwindigkeit von annähernd 70 km/h. Der 28-jährige Buys-Ballot verfügte über auszeichnete Beziehungen und erwirkte von der wissenschaftlich aufgeschlossenen Bahndirektion die Erlaubnis zu einem aufwendigen und mehrfach wiederholten Versuch, dessen Ergebnis er 1845 veröffentlichte: Eine Dampflok zog einen offenen Wagen, auf dem Trompeter nach entsprechendem Signal den Dauerton G bliesen. Entlang des Gleises standen ebenfalls mehrere Musiker, um die Schwankung der Tonhöhe festzustellen. Die Bilanz: Sie hörten das Trompetensignal beim Herannahen des Zuges um einen Halbton höher und nach der Vorbeifahrt wieder auf G gesenkt. Das entspricht genau dem Doppler-Effekt: Nähert sich eine Schallquelle, so werden die Schallwellen gequetscht, daher nimmt die Frequenz zu und der wahrgenommene Ton wird höher. Entfernt sich aber die Schallquelle, dann werden die Schallwellen gedehnt, weshalb die Frequenz und die Tonhöhe abfallen. Nicht anders bei Lichtwellen: Werden sie gestaucht, verfärben sie sich ins Blau, hingegen bei Dehnung ins Rot.

Trotz dieses praktischen Beweises erklärte Josef Petzval sieben Jahre später mit Zustimmung der Kaiserlichen Akademie in Wien den Doppler-Effekt für „abgethan, erwiesenermaßen irrig“. Allerdings bestätigte Petzval damit eine kritische wissenschaftstheoretische Annahme Dopplers: „In der Physik ist es noch immer ein gewagter Versuch, lange bestehende Meinungen und zum Theile eingewurzelte Vorurtheile zu bekämpfen und aufzuräumen.“ Genau diesen Versuch wagte Doppler mit der Feststellung, dass die Wahrnehmung von Licht oder Ton „von rein subjektiven Bestimmungen und nicht von objektiven Fakten abhängt“. Er brach also mit der bisherigen naturwissenschaftlichen Methode, Fakten objektiv zu beschreiben und die Natur mit mechanistischen Modellen zu erklären. Doppler stellte diese Methode nicht prinzipiell infrage, da sie entscheidende Grundlagen der Naturwissenschaften geschaffen hatte. Er machte aber den entscheidenden nächsten Schritt, den Menschen mit einzubeziehen – was nimmt er wahr, was hört er, was misst er? (…)

Als der Schwede Alfred Nobel (1833–1896) durch die Erfindung des Dynamits ein großes Vermögen erwarb und in seinem Testament bestimmte, dass sein Vermögen „einen Fonds bilden soll, dessen jährliche Zinsen als Preise denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr [in Physik, Chemie und Medizin] der Menschheit den größten Nutzen erwiesen haben“, ahnte man wohl noch kaum, wie weit die Entdeckung Dopplers die Entwicklung ebendieser Bereiche beeinflussen würde: Bis zum heutigen Tage wurden 14 Nobelpreise an Wissenschafter vergeben, deren Erkenntnisse in Medizin, Technik und Naturwissenschaften erst durch die Anwendung des Doppler-Effekts ermöglicht wurden.

Clemens M. Hutter, Christian Doppler, Der für die Menschheit bedeutendste Salzburger. 176 Seiten, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2017, 10.95 Euro – www.pustet.at

Buchpräsentation am Mittwoch (22.2.) um 18 Uhr im Haus der Natur. Anmeldungen unter 06246-73955, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Zur Buchbesprechung In Salzburg lange nicht weltberühmt genug