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Kapellmeister

LESEPROBE / RALF WEIKERT / BERUF DIRIGENT

09/04/17 Von 1981 bis 1984 war Ralf Weikert Chefdirigent des Mozarteum-Orchesters und Generalmusikdirektor des Landestheaters nach Salzburg. Der 76jährige, der aus der Kaderschmiede von Hans Swarowsky hervor ging, hat ein Buch geschrieben: „Beruf Dirigent“ – Eine Leseprobe.

Von Ralf Weikert

10/04/17 Es ist in den letzten Jahren immer wieder von den Möglichkeiten der Dirigenten-Karriere gesprochen worden, vom Segen und Fluch der traditionellen Kapellmeister-Laufbahn. Nach wie vor ist es jedoch so, dass in Europa dirigentische Karrieren am Theater beginnen, als Repetitor. Dieser Weg erweist sich noch immer als ein Regelfall: vom Solo-Repetitor, zu dem man oft durch ein Probespiel direkt nach dem Studium gelangt, zum Assistenten bei Proben. Dort ist man einige Jahre mit dem regelrechten ‚Fressen‘ von Klavierauszügen beschäftigt, mit dem man sich doch auch ein erstes (allerdings noch bescheidenes) Repertoire aufbauen kann.

Beim Assistieren schaut man dem Chef bei der Arbeit mit dem Orchester und den Sängern zu, es kommen Bühnendienste (wie Fernorchester etc.) – und wenn man Glück hat und alles gut gelingt, werden einem schon bald größere Aufgaben anvertraut, mal Singspiele, in einem Dreispartenbetrieb vielleicht auch einmal die Schauspielmusik (gegebenenfalls sogar deren Komposition), Kinderkonzerte – und dann auch das Nachdirigieren von ‚einfachen‘ Werken. Das ist natürlich relativ zu sehen, denn was ist schon ‚einfach‘ in der Musik?

Warum sollte man ‚fremde‘ Aufführungen nachdirigieren? Warum sollte es sinnvoll sein, seine eigene Persönlichkeit so weit zurückzunehmen? Warum sollte man sich einfach reduzieren auf ein mechanisches Rad im Getriebe? Dieses Durchlaufen der verschiedenen Stufenleitern des Musiktheaterbetriebes hat den Vorzug, dass man sich auf jeder einzelnen Stufe zusätzliche Fähigkeiten und Kenntnisse aneignet. Um nur einige zu nennen gehören dazu: die Fähigkeit zur Improvisation, die Arbeit mit dem Chor, die Einschätzung von Klangverzögerungen durch die größere Entfernung bei Hinterbühneneinsätzen, das Organisieren ganzer Probenabläufe, das Erarbeiten von Werken in geteilten Gruppenproben bei schwierigen unbekannten Stücken, das Einrichten von Orchesterstimmen nach den Angaben des Dirigenten, etc.

Wenn aber all dies zur Zufriedenheit verläuft, dann werden die Aufgaben langsam größer, dann geht es um die ersehnten ersten selbständigen Einstudierungen. Jetzt muss man Farbe bekennen und beweisen, dass all die vorangegangene mühsame Zeit des Lernens sich gelohnt hat und nicht umsonst war. Der Theaterbetrieb verlangt einem stets, vor allem als verantwortlichem Dirigenten, die volle Flexibilität ab, und diese Flexibilität ist einem nicht mitgegeben, sie muss hart erarbeitet werden. Sie ‚entsteht‘ nicht einfach, sondern ist Ergebnis eines Prozesses.

Ich erinnere mich an eine schöne Anekdote von Carlos Kleiber. Früher, vor den Zeiten der Übertragung des Dirigenten auf Monitore hinter der Bühne, gab es am Dirigentenpult eine eigenwillige Tastatur mit dem noch eigenwilligeren Namen „Taktograph“. Mit dessen Hilfe konnte man die Bühnenmusik mittels Leuchtziffern hinter der Bühne koordinieren. Kleiber bekam in seiner allerersten Zeit am Salzburger Landestheater einmal damit Probleme. Auf die Kritik des Intendanten, er habe zwar dirigiert, aber den Taktographen an den notwendigen Stellen nicht betätigt, antwortete er: „Ja, wenn ich das beides zusammen könnte, dann wäre ich nicht mehr in Salzburg.“

Ralf Weikert, Beruf Dirigent. 189 Seiten. Böhlau-Verlag, Wien 2017. 19.99 Euro – www.boehlau-verlag.com
Mit freundlicher Genehmigung des Böhlau-Verlags

Buchpräsentation in Salzburg: am Dienstag (11.4.) um 17 Uhr im Wiener Saal.

 

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