asdf
 

Zwischen Soizbuagarisch und global basic English

LESEPROBE / CLEMENS M. HUTTER / STADTWANDERN

02/11/17 28 entschleunigte Wege durch die Stadt. Gleich für den ersten empfiehlt Clemens M. Hutter, um fünf Uhr früh in die Innenstadt zu gehen. Hutter ist 87, da braucht man nicht mehr so viel Schlaf. Aber der frühe Aufbruch hat schon etwas für sich. Fremde trifft man keine, nicht mal Einheimische. An sie richtet Hutter sein neu und in erweiterter Form aufgelegtes Buch „Stadtwandern in Salzburg“. - Hier eine Leseprobe.

Von Clemens M. Hutter

Eindringlich riet Hermann Bahr 1915 einigen Freunden, statt in Italien doch mal wieder Urlaub in Salzburg zu machen: „Das ist nämlich ein Irrtum, wenn Ihr meint, Salzburg zu kennen. Es ist die geheimnisvollste Stadt auf deutscher Erde, das schönste Denkmal unserer ewigen Sehnsucht nach Form. Es ist die Mozartstadt. Auch wenn Mozart in Insterburg geboren wäre, wäre doch Salzburg die Mozart-Stadt.“

Bahr hätte diesen Brief per Postwurf auch an alle Salzburger schicken können. Wir Salzburger sind nämlich die Einheimischen; wie überall auf der Welt sind das jene ganz normalen Leute, die übrigbleiben, wenn die Touristen wieder weg sind.

Wir kennen natürlich unsere Stadt und ihre Highlights, von der Festung über den Open-Air-Jedermann bis zu Sound of Music. Wir vermarkten Mozart als Kunst und Kugel an den Tourismus. Unser Flughafen heißt Airport, damit das internationale Publikum weiß, dass wir zweisprachig sind: Soizbuagarisch und global basic English. Und so können wir den internationalen Gästen nötigenfalls auf Englisch ausdeutschen, welche „Events“ an welchen „Locations“ gerade in sind.

Das reicht gewiss für eine „weltmännische“ Aura. Deshalb ärgert uns vielleicht auch ein Satz der Spottdrossel Karl Kraus: „Hätten die Salzburger Salzburg gebaut, wär’ bestenfalls ein Linz daraus geworden.“ Kraus verschweigt aber, warum Nicht-Salzburger diese Stadt gebaut haben: Der 1466 verstorbene Kardinal Burkhard von Weißpriach war der letzte Salzburger auf dem Bischofsstuhl St. Ruperti. Fortan wählte das Domkapitel bis zum Ende des Kirchenstaates Salzburg (1803) immer deutsche „Ausländer“ zum Erzbischof und Landesherrn – Vorarlberger, Welschtiroler, Kärntner, Steiermärker, Wiener oder Böhmen.

Diese Fürsten brachten andere Baustile in die Stadt. Ihnen verdankt Salzburg letztlich ihre architektonische Vielfalt. Läge Salzburg geografisch nicht so ausnehmend günstig, hätte es auch keinen Nicht-Salzburger hierher gezogen. Und warum nicht architektonische Qualität kaufen, wenn sie günstig zu haben ist, ausgezeichnet in die Landschaft zwischen Hochgebirge und Flachland passt, Bewunderer sowie Kritiker inspiriert und schließlich auch zum „Weltkulturerbe“ taugt ?

Immerhin hat Oskar Kokoschka in Salzburg die „Schule des Sehens“ erfunden: Zu sehen beginnt man, sobald man die Aufmerksamkeit frei macht für unauffällig Gefälliges, unaufdringlich Eindringliches und zeitlos Zeitgemäßes. Darin liegt der Fortschritt vom „Sehen“ zum „Wahrnehmen“.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet
Clemens M. Hutter: Stadtwandern in Salzburg. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2017. 200 Seiten, 22 Euro - www.pustet.at
 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014