LESEPROBE / DIE BESTEN SAGER UND IHRE GESCHICHTEN

27/06/25 Welches Schweinderl hätten’S denn gern? Seid ihr alle da? Guten Abend die Madln, servas die Buam! Das war … Spitze! Lernen’s Geschichte, Herr Reporter! Hoch werma’s nimma gwinnen... Die meisten Sprüche können etwas ältere Semester sofort zuordnen. Passende Bilder, Augen auf, Ohren auf, Helmi ist da stellen sich ein. Siebzig Jahre Fernsehgeschichte in Sprüchen und Bildern wecken Erinnerungen. – Hier eine Leseprobe.

Von Herbert Hayduck und Karin Moser

Inspektor gibt’s kan! Peter Vogel als Major Adolf Kottan

Skandal, Schweinerei, Sauerei!
Eine Beleidigung für jeden Österreicher!
Anarchistische Tendenzen

Diese und ähnliche Beschwerden gingen beim ORF einen Tag nach der Erstausstrahlung von Kottan ermittelt ein. Die von Autor Helmut Zenker und Regisseur Peter Patzak geschaffene, unorthodoxe Figur des Majors Adolf Kottan stieß auf Begeisterung wie auf erbitterten Widerstand. Vor allem wollte Regisseur Patzak die herkömmliche Krimidramaturgie verändern, wobei er von Folge zu Folge, von Hauptdarsteller zu Hauptdarsteller die »dramaturgische Schraube« ein Stück weiterdrehte. Brillanter Witz, zynische Kommentare und schwarzer Humor zeichnen diese zeitlose Serie aus, die in ihrem Verlauf immer provokanter und anarchischer wird. Geschaffen wurde ein »Kult-Kieberer«, der, wenn er in österreichischer Manier als »Inspektor« angesprochen wurde, je nach Stimmungslage lakonisch, wirsch oder grantig erwiderte:
Inspektor gibt’s kan!

Der ehemalige Lehrer und politische Schriftsteller Helmut Zenker schrieb die Polizeisatire rund um Major Adolf Kottan 1974, veröffentlicht wurde sie jedoch nicht. Also baute er daraus ein Hörspiel, das vom Südwestfunk Stuttgart produziert wurde. Die ORF-Abteilung »Fernsehspiel«, die ihre Formate für neue, innovative Inhalte öffnete, schlug vor, den Stoff in ihr Programm aufzunehmen. Den beiden Individualisten Zenker und Patzak, die sich aus ihrer Gymnasialzeit in Wien-Brigittenau kannten, wurde bei der Umsetzung freie Hand gelassen.

Doch was hatte Teile des zeitgenössischen Publikums so empört? Obrigkeitsdenken und Unterwürfigkeitsmechanismen wurden in der Serie kritisiert, torpediert und auf den Kopf gestellt. Beamte – Polizisten aber etwa auch Bundesheerbedienstete – wurden allzu menschlich dargestellt. Sie tranken, fluchten, hatten Affären, waren unfreundlich, bisweilen ausländerfeindlich und prinzipiell sehr voreingenommen. Die Gemüter der Öffentlichkeit waren allen voran in der Beamtenschaft erhitzt. 1976 wurde beim Innenminister sogar eine parlamentarische Anfrage eingebracht, ob man denn Beamte in Film und Fernsehen überhaupt so darstellen dürfe. Vertreter des öffentlichen Dienstes beschwerten sich beim ORF, man ließe in der Presse seinem Zorn freien Lauf. Man sprach von der »Entwürdigung eines ganzen Berufsstandes«, von »Terrorismus« und »Landesverrat«.

Für das genial konspirative Gespann Patzak und Zenker war dies eher ein Grund, erst recht so weiterzumachen, denn Tabugrenzen existierten für sie nicht. Zynismus statt Respekt vor der Polizeiarbeit, spitze Pointen, schwarzer Humor, Slapstick, Anzüglichkeiten und Musikeinlagen kreierten eine völlig andere Art von Humor und Kriminalarbeit. Skurrile Charaktere und diverse »Running Gags« zeichneten die Serie aus: ein grantiger bis cholerischer Kommissar, minderbegabte Kollegen, permanent abgerissene Autotüren, ein verrückter Polizeipräsident namens Heribert Pilch (gespielt von Kurt Weinzierl), der einen täglichen persönlichen Kampf mit dem Kaffeeautomaten führt, Erwin Drballa (dargestellt von Carlo Böhm), ein todbringender Obdachloser, der ständig über Leichen stolpert, oder auch eine Fernsehansagerin (Chris Lohner), die per ildschirm direkt mit Major Kottan kommuniziert oder plötzlich vor der Wohnungstür steht, wenn ihm wieder einmal das Fernsehprogramm nicht gefällt.

Der Musik kam in Kottan ermittelt eine immer bedeutendere Rolle zu. Gut platzierte Songs kommentierten die Handlung auf ironische Weise, spiegelten die Gemütslage des Kommissars wider (etwa »Lonely Boy« von Paul Anka) und gaben der Serie einen internationalen und popkulturellen Touch. In den späteren Folgen, mit Lukas Resetarits in der Hauptrolle, wird die Polizei-Combo »Kottans Kapelle« zu einem Fluchtpunkt vor dem Alltagswahnsinn des Majors und seiner Familie. Wobei sich im Verlauf der Serie Kottans Frau Ilse (Bibiana Zeller) und seine Mutter (Gusti Wolf) immer stärker emanzipieren, die Handlung vorantreiben und ihre eigenen kriminalistischen und musikalischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Bei all dem surrealen Klamauk wird oft übersehen, dass Kottan ermittelt immer auch, speziell in der Frühzeit, gesellschaftskritische Züge trug und Sozial- und Milieustudien nachzeichnete. In tristen Hinterhöfen, im verrauchten Beisl oder auch im Stiegenhaus an der Bassena traf man auf eigentümliche, mitunter vom Leben gezeichnete Charaktere, die sich in Bespitzelungen, Intrigen und Hinterfotzigkeiten übten. Neugierig, sekkant, bissig, bösartig, mit einem Hang zum Denunziantentum warfen sich Nachbarn, Kollegen, Verwandte, »Freunde« gewitzt und spitzzüngig doppelbödige Beleidigungen an den Kopf. Diese Wortgefechte entpuppten sich immer wieder als genial tiefgründige Dialoge, die viel über Selbstzweifel, Ängste, Hoffnungen, Träume, Selbst- und Fremdbilder erzählten und jede Figur zu einem Menschen mit vielen dunklen und so manchen hellen Seiten machte.

Major Kottan selbst machte auch eine Entwicklung durch, die mit demechsel der Darsteller einherging. Zu Beginn der Serie, als Peter Vogel den Part spielte, war Adolf Kottan mürrisch, kleinlich, zynisch, verbohrt und hatte einen gewissen Hang zur Xenophobie, Ausländer erschienen ihm grundsätzlich verdächtig. Franz Buchrieser (Kottan 2) hatte einen leichten Hang zur Melancholie, wirkte lethargisch, resignierend, war liberaler, sympathischer, konnte noch immer gereizt sein, war aber insgesamt sanfter. Unter ihm begann die Serie langsam skurrile Züge anzunehmen. Lukas Resetarits war sichtlich jünger als seine Vorgänger und wurde als popaffiner, renitenter Ermittler in Lederjacke, Latzjeans und blondiertem Haar inszeniert. Ständig gereizt, ohne Respekt vor Obrigkeiten und immer im Clinch mit Polizeipräsident Pilch wirkte Resetarits moderner und hätte als Vorlage für den später legendären Tatort-Kommissar Horst Schimanski aus Duisburg dienen können. Nicht vorstellbar sind alle drei Kottans einerseits ohne den gewieften, einbeinigen und dabei unglaublich reaktionsfähigen und gelenkigen Paul Schremser (Walter Davy), der schließlich sogar Dezernatsleiter wird und Kottan karrieretechnisch überholt. Andererseits sorgt Assistent Alfred Schrammel, der sich gerne als Musterpolizist gerieren will, letztlich aber durch seine augenscheinliche Unfähigkeit für Chaos sorgt, für Slapstickeinlagen und Pointen. Beide sind Teil von »Kottans Kapelle«; während Kottan den Leadsänger gibt und E-Gitarre spielt, ergänzen Schremser am Kontrabass und Schrammel am Schlagzeug die Band.

2021 starb Peter Patzak, der Regisseur der Kultserie, dessen Vater übrigens selbst Polizist im Rang eines Majors war, völlig überraschend nach einer Operation am Herzen. Dass die einst so empörte Exekutive sich längst zum Fan von Kottan ermittelt entwickelte hatte, bewies folgender Tweet, den die Wiener Polizei anlässlich Peter Patzaks Abschied absetzte: »Inspektor gibt’s kan. R. I. P. Peter Patzak.«

Mit freundlicher Genehmigung der edition a

Herbert Hayduck und Karin Moser. Nach einer Idee von Stefanie Groiss-Horowitz: Die besten Sager und ihre Geschichten. 70 Jahre Fernsehen. edition a, Wien 2025. 234 Seiten, 25 Euro
– www.edition-a.at
Herbert Hayduck ist Historiker und leitet seit 2008 das ORF-Archiv. In seiner Tätigkeit als Archivar betreute er zahlreiche historische Sendereihen wie Österreich II und die Gestaltung von Fernseh- und Radiosendungen zu historischen Themen. Zudem ist er Lektor an der Universität Wien.
Karin Moser ist Medien- und Zeithistorikerin und hatte Gastprofessuren für politische Geschichte, Medien- und Sozialgeschichte (Universität Wien; Univerzita Hradec Králové) inne. Tätigkeiten im Bereich Dokumentarfilm (Drehbuch, Co-Regie, historische Beratung, Recherchen). Forscht und arbeitet in Wien.
Bilder: ORF / edition a