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90 jahre zukunft

LITERATURFEST SALZBURG / FERDINAND SCHMALZ

23/05/18 Ferdinand Schmalz ist Träger des Kasseler Förderpreises für grotesken Humor. Er erhielt für seinen Text „mein lieblingstier heist winter“ den Ingeborg-Bachmann-Preis. Er hat sich erfrecht, einen neuen „Jedermann“ zu schreiben - „jedermann (stirbt)“ wurde bei der Uraufführung im Burgtheater bejubelt. Nun ist der Autor zu Gast beim Literaturfest Salzburg. – Hier sein Text aus dem Programm-Booklet.

Von Ferdinand Schmalz

jubiläen werden nicht selten mit schildern ausgewiesen. Darauf eine zahl umgeben von einem lorbeerkranz und der name des jubilars oder der jubilarin. an den alterserscheinungen eines jubiläumsschildes lassen sich dann die jahre erahnen, die man der abgebildeten zahl noch zurechnen sollte um auf das eigentliche alter zu kommen. in mitten der kleingartensiedlung auf der schmelz kann man auf einem solchen schild in einem kranz aus eichenlaub lesen: „90 jahre zukunft“. mit jubiläen versuchen wir dem vergangenen einen wert zuzuschreiben. jubiläen blicken wie walter benjamins engel der geschichte immer nur nach hinten, „ein sturm weht vom paradies her, der sich in seinen flugeln verfangen hat…“ jubiläen sehen die trümmer der geschichte und verklären sie ins nostalgische. der jubiliernd nostalgische blick sieht zurück, und statt der geschichtstrümmer sieht er nur das kleingartenparadies. sieht nicht den k und k truppenübungsplatz auf der schmelz, die zerfallende monarchie, den bürgerkrieg, sieht nicht das rote wien, mit seinem verschwenderischen umgang mit der zukunft, sieht auch nicht das an den kleingartenverein angrenzende polizistenwohnheim in dem schon seit jahren nur mehr rechtspopulistisch gewählt wird. der jubilierende engel der nostalgie sieht das alles nicht. will er gar nicht. aber wenn wir auf das schild blicken: „90 jahre zukunft“ erkennen wir vielleicht wie verkehrt, wie verklärt dieser rückblick ist. und natürlich wissen wir mittlerweile, dass der kleingartenverein „zukunft“ heißt. und dass das schild vor dem „schutzhaus zukunft“ hängt und dessen bestehen feiern soll. aber geht es nicht genau darum, diesen blickwechsel zu schaffen. vielleicht wortwortlich die zükunft wieder als schutzhaus entdecken. jubiläen zelebrieren, die nicht das feiern, was hinter uns liegt, die nicht das feiern was oft nur von fadenscheiniger jubiläumswürdigkeit ist. Sondern nun einen heben im schutzhaus zukunft, einen auf die 90 jahre zukunft heben, die da hoffnungsvoll wie ein neugeborenes vor uns liegen. und dort im biergarten der zukunft zwischen den trümmern von gestern und den trümmern von morgen möglichkeiten finden. neue perspektiven erblicken.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Literaturfestes Salzburg

Das Literaturfest Salzburg – von 23. bis 27. Mai – widmet zahlreiche Veranstaltungen dem Thema „Revolten“ – Ferdinand Schmalz und Clara Frühstük treten am 24. Mai im JazzIt auf – www.literaturfest-salzburg.at
Bild: LFS/privat

 

 

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