Wie Fernsehen, nur besser

HINTERGRUND / RAURISER LITERATURTAGE

09/04/21 Der Abend mit Erwin Einzinger und Julya Rabinowich bei den „digitalen“ Rauriser Literaturtagen hat zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten und Werke miteinander verbunden. Spannend zu erleben, wie Autorinnen und Autoren mit ihrer Emotionalität Rauris gegenüber umgehen. Spannend zu erfahren, was der kleine Ort im Pinzgau ihnen persönlich bedeutet.

Von Simone Lettner

Tatsächlich hat der Leseabend mit Erwin Einzinger und Julya Rabinowich am Donnerstag (8.4.) immer wieder auch die emotionale Bedeutung der Rauriser Literaturtage anschaulich werden lassen. Damit wurde gerade der Live-Stream der Besonderheit der 50-Jahr-Feier gerecht, die erzwungenermaßen in einem ganz anderen Format stattfindet als ursprünglich geplant. Sowohl Einzinger als auch Rabinowich, von „daheim“ zugespielt, wirkten in den Gesprächen mit den Moderatorinnen Petra Nagenkögel und Ines Schütz sehr aufrichtig und übermittelten trotz Distanzmodus einiges an Emotion.

Dazu gehört etwa Erwin Einzingers Erwähnung seines langjährigen Freundes, des Lyrikers Hans Eichhorn, der ebenfalls zur 50-Jahr-Feier nach Rauris geladen war, der aber vergangenes Jahr verstorben ist. Dazu gehört auch Einzingers immer wieder deutlich zum Ausdruck gebrachte Selbstkritik, die von seiner wohlwollend-aufmunternden Gesprächspartnerin Petra Nagenkögel beschwichtigt wurde.

Und dazu gehört Julya Rabinowichs Feststellung, dass Rauris für sie „ein Stück Heimatfindung“ bedeutete, das sie bisher vielleicht am meisten mit Österreich verwurzelt habe, und zwar – im Gegensatz zu Wien – in einem „momentanen Schub“. Erwin Einzinger hat Kostproben aus einem noch unveröffentlichten Manuskript gelesen. Mit Petra Nagenkögel sprach der Autor über seine assoziative und mäandernde Schreibweise oder über die Rolle der Musik in seinem Werk.

Julya Rabinowich hat aus ihrem Buch Krötenliebe gelesen, dessen Titel an Arthur Koestlers Paul-Kammerer-Biographie Der Krötenküsser angelehnt ist. Sie sprach mit Ines Schütz über den Umgang mit Fakten/Fiktion und über ihre Auseinandersetzung und Identifikation („Ich wollte sie alle sein“) mit historischen Persönlichkeiten wie Alma Mahler, Oskar Kokoschka und Paul Kammerer. An ihren leidenschaftlichen Ausführungen ist ihre große Begeisterung für die Beziehungen dieser Personen zueinander offenkundig geworden. Die Gespräche zwischen Einzinger und Nagenkögel sowie Rabinowich und Schütz führten vor Augen, was Rauris als biographischer Lebensmoment und Ausgangs- oder Rückkehrpunkt von Freundschaften für die Autorinnen und Autoren bedeuten kann, die hier ausgezeichnet wurden und werden.

Gerade die Tatsache, dass die Literaturtage heuer nicht in ihrer traditionellen Form stattfinden können, lädt womöglich verstärkt zur Reflexion darüber ein, welche Rolle eigentlich der Ort Rauris im Rahmen des Festivals spielt. In jedem Fall lohnt es sich, an diesen außergewöhnlichen Rauriser Literaturtagen als Zuseherin und Zuseher auch ohne die Möglichkeit einer Präsenz vor Ort teilzunehmen. Mit der Übertragung per Livestream beziehungsweise Aufzeichnung kann man es sich zuhause ganz bequem einrichten. Und dann kann man sich die zeitgenössische prämierte Literatur ebenso wie facettenreiche und authentische Stücke der Geschichte der Rauriser Literaturtage ins eigene Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Badezimmer holen. Es ist fast wie Fernsehen, nur besser.

Die Rauriser Literaturtage bis Sonntag (11.4.) im fs1-Stream unter - fs1.tv rauriser-literaturtage-2021
Bilder: Stills aus dem Livestream / www.youtube.com
 Für DrehPunktKultur berichten Studentinnen und Studenten von Marlen Mairhofer und Clemens Peck im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2021)“ am Fachbereich Germanistik von den im Live-Stream stattfindenden Rauriser Literaturtagen 2021.