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Zur Freundschaft gerufen

BUCHPRÄSENTATION / ANALIS / HANDKE

22/11/12 „Das ist keine Veranstaltung zu meiner Person, sondern eine Expedition zu meinem Freund Dimitri Analis.“ Peter Handke hat die letzten Gedichte des griechischen Dichters und Diplomaten übersetzt - ein Freundschaftsdienst für den Verstorbenen.

Von Heidemarie Klabacher

Vor fünfzehn Jahren habe er Dimitri Analis erstmals getroffen, „da war er schon ein älterer, etwas kränklicher Mann“, erzählte Peter Handke. „Dieser Mensch hat beschlossen, ich sollte sein Freund sein.“ Nun hat Peter Handke die letzten Gedichte des verstorbenen Dimitri T. Analis aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Der Gedichtband „Präludium zur neuen Kälte der Welt“ ist im Verlag Jung und Jung erschienen und wurde gestern Mittwoch (21.11.) in der Salzburg Kulisse vorgestellt.

Der Verleger Jochen Jung begrüßte „die französische Schauspielerin Sophie Semin und ihren Ehemann Peter Handke“. Das Ehepaar Handke-Semin hat gelesen: die Schauspielerin auf Französisch, klangvoll mit reich timbrierter Stimme; der Dichter auf Deutsch, verhalten, wie den Gedanken des Verstorbenen oder der Qualität der Übersetzung nachspürend.

Zwei Wochen vor Analis’ Tod im Februar dieses Jahres habe er dessen letzten Gedichtzyklus bekommen, erzählte Peter Handke. Übersetzung als Freundschaftsdienst: „Ein solcher Freundschaftsdienst muss nichts Nichtiges sein.“ Pathos lässt Handke nicht aufkommen: „Keine Angst“, sagte er zum Publikum, „dadurch, dass er gestorben ist, ist es nicht so lang.“

„Ich weiß nicht, warum er seine Gedichte auf Französisch geschrieben hat, obwohl er ein Grieche war.“ So Peter Handke im Gespräch mit Jochen Jung. „Dieser alte Mann, der die Würde des Griechentums ausstrahlte, wollte, dass ich sein Freund sei.“ Er wurde "gerufen zur Freundschaft", das habe er gefühlt – und das hatte auch mit Jugoslawien zu tun: „Analis war ein Liebhaber Jugoslawiens, aber er war kein Panegyriker, kein Nostalgiker.“

Dimitri T. (weder Jochen Jung noch Peter Handke wissen, für welchen zweiten Vornamen das „T“ steht) Analis stand in diplomatischen Diensten, unter anderem war er in den siebziger Jahren Attaché an der Griechischen Botschaft in Paris. Seine letzten Jahre habe er vereinsamt und verarmt in Piräus verlebt, so Handke. „Piräus muss nicht immer romantisch sein.“

Peter Handke erinnerte im Gespräch mit Jochen Jung auch an die Briefe des Griechen Analis und des syrischen Dichters Adonis, deren Veröffentlichung er angeregt habe: 2001 erschienen der Briefwechsel bei Jung und Jung in dem inzwischen vergriffenen Band „Unter dem Licht der Zeit“ – in der Übersetzung aus dem Französischen von Peter Handke.

Einen Unterschied zwischen seinen und Analis' Texten sehe er nicht, betont Peter Handke: "Literatur ist immer gleich. Literatur erzählt immer von Trauer, Sehnsucht, Freude und Leid." In seinem Nachwort zu „Präludium zur neuen Kälte in der Welt“ schildert Peter Handke den 1938 in Athen geborenen Dimitri A. als „verlorenen Dichter“ und eleganten Herrn: als Kapitän, der mit vergoldeten Knöpfen auf marineblauem Blazer seine Runde im Hafen drehte - um dann weiter (und weiterhin unbedankt) die Dramen seiner Kollegen aus der Antike ins Französische zu übersetzen.

Bilder: dpk-klaba
Zur Buchbesprechung Vor dem Vergessen, das lang sein wird

 

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