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Muttersprache ohne Vaterland

LITERATURHAUS / EUROPA DER MUTTERSPRACHEN / ROMANES

05/04/16 Ein Volk und viele Volksgruppen. Alle Länder der Welt aber kein Heimatland. Eine siebenhundertjährige Geschichte in Europa und keine Rechte. Eine Sprache, viele Dialekte, wenige Bücher: Das Festival „Europa der Muttersprachen“ gilt Romanes, der Sprache der Roma.

Von Heidemarie Klabacher

„Zum ersten Mal widmen wir uns einer Sprache, deren Nation kein Land hat – und deren Menschen bis heute in einer unglaublich prekären Situation leben“, sagte Tomas Friedmann heute Dienstag (5.4.) bei der Programmpräsentation. Er ist der Erfinder des Festivals „Europa der Muttersprachen“, das sich seit 1995 jährlich mit Literatur und Kultur jeweils einer europäischen Sprache beschäftigt. „Baskisch etwa ist geografisch eindeutig verortet in Südfrankreich und Nordspanien, hat seine Vertreter, seine Politik, seine Literatur. In Romanes gibt es kaum Bücher.“

Roma und Sinti sprechen immer zwei Sprachen: Die allen gemeinsame Sprache Romanes, genauer gesagt, einen ihrer unzähligen Dialekte, und die Sprache des Landes in dem sie leben – und in der sie meist auch ihre Bücher schreiben. Die Zahl der Literatur in Romanes ist freilich überschaubar.

Das „Festival Europa der Muttersprachen“ ist erstmals nicht auf drei Tage konzentriert, sondern reicht mit einzelnen Veranstaltungen bis in den Juli hinein. Das hat vor allem damit zu tun, dass im Zentrum des Festivals diesmal insgesamt drei Ausstellungen stehen.

Bis 28. April zeigt das Literaturhaus Salzburg unter dem Titel „Beim Erinnern vergessen“ zunächst zwei Doku-Ausstellungen zur Geschichte der Roma am Balkan und im Burgenland. Die Schau „Die Hölle von Jasenovac” thematisiert auf zwölf Bild-Text-Tafeln den Genozid an Roma, Juden und Slawen auf dem Balkan. Die audiovisuelle Zeitzeugen-Doku „Auf den Spuren der Vergangenheit“ erzählt in zehn Stationen Lebensgeschichten burgenländischer Roma. Die Ausstellungen entstand in Kooperation des Literaturhauses mit dem Salzburger Verein Phurdo Zentrum Roma-Sinti und dem Verein KARIKA für Roma und Sinti in Oberwart.

„Die Tafeln hängen wir zu, wenn wir Veranstaltungen mit Schulklassen im Großen Saal haben. Die Bilder sind für Kinder zu erschütternd“, betont Tomas Friedmann. Das Lager Jasenovac, im damaligen „Unabhängigen Staat Kroatien“ von der Ustatscha geleitet, gilt als das „Auschwitz des Balkans“ und war das einzige Vernichtungslager, „in dem ohne deutsche Beteiligung planmäßig gemordet wurde“. Ermordet wurden Serben, Kroaten und bosnische Muslime, Juden und Roma. Die Zahl der Opfer belaufen sich laut Schätzungenauf 80.000 bis 500.000.

In kleinen Saal ist die Schau „Auf den Spuren der Vergangenheit“ zu sehen: In beeindruckenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen hat Julius Hovath ebenso sprechende wie bedrückende Details in den Konzentrationslagern Mauthausen und Ausschwitz festgehalten. Unter den Fotos, die auf einem stilisierten Elektrozaun hängen, sind zehn Videostationen. Burgenländische Roma, vor dem Zweiten Weltkrieg die größte Roma-Gruppe in Österreich, erzählen von Krieg, Flucht und Konzentrationslager, erzählen eine Geschichte der Diskriminierung auch nach dem Krieg, bis zum Bombenanschlag in Oberwart 1995.

Am 11. April gibt es dazu eine Veranstaltung unter anderem mit Martin Horvath, Julius Horvath, Paul Horvath und Emmerich Gärtner Horvath aus Oberwart und einer Vertreterin des bulgarischen Bildungsministeriums.

Bereits am Samstag (9.4.) wird der „Internationale Roma-Tag“ gefeiert - erstmals in Salzburg in der ARGEkultur. Der Roma-Tag erinnert an den 8. April 1971, an dem in London die Roma als Nation anerkannt wurden. Eröffnet wird um 17 Uhr mit einer Podiumsdiskussion mit namhaften Vertreterinnen und Vertretern der internationalen Roma Comunity. Danach laden der Verein Phurdo, ARGEkultur und Literaturhaus zum Fest.

Von 4. Mai bis 7. Juli wird im Literaturhaus eine weitere Ausstellung zu sehen sein: „Während des Gehens verloren wir unser Gesicht“ heißt die Schau mit Werken von Ceija Stojka. Zur Vernissage am 4. Mai gibt es Vortrag, Film und Musik von Gilda Horvath, Nuna Stojka und der Band „Amenza Ketane“.

Am 10. Mail folgen es unter dem Titel „Von der Heimat in der Sprache. Geschichte und Geschichten der Roma“ Lesungen der Roma-Autoren Jovan Nikolic, dem Salzburger Stadtschreiber im Mai/Juni 2016, und Rudzija Russo Sejdovic. Anschließend spricht Karl-Markus Gauß mit dem Literaturwissenschaftler und Autor Klaus-Michael Bogdal. Abgeschlossen wird das Programm am 13. Mai mit dem Abend „Jenseits von Ohnehin“ mit der Harri Stojka & Band und Doron Rabinovici.

www.literaturhaus-salzburg.at
Bilder: dpk-klaba(2); APA/Mathias Wölfle; APA-dpa/Rainer Jensen
Zum Porträt Raim Schobesberger Ich bin ein Rom.

 

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