Lebenslust in Briefen und Tönen

MOZARTWOCHE / BRIEFE UND VIOLINSONATEN

29/01/19 Mozart pur und „Mozart lebt sind die Slogans Rolando Villazón für die Mozartwoche-Ära. Eingelöst wird das nicht im aufgeplusterten Spektakel à la T.H.A.M.O.S, sondern im Kleinen. Etwa an Mozarts Geburtstag (27.1.) im Tanzmeistersaal. Drei Künstler widmen sich mit Inbrunst Briefen und Violinsonaten.

Von Gottfried Franz Kasparek

Der deutsche Schauspieler Stefan Wilkening rezitiert wohlbekannte Briefe Wolfgang Amadés, nein, er durchlebt sie. Ein Mensch aus Fleisch und Blut begegnet uns, einer, der seine Empfindungen nur als „Musicus“ ausdrücken kann. Einer, der sich mühevoll und „gehorsamst“, aber mit gesundem Selbstbewusstsein von Vater Leopold abnabelt. Der die Frau, die er liebt, heiratet und den gestrengen Papa vor vollendete Tatsachen stellt. Ein Mensch, den der Glaube über den Tod der Mutter hinweg trägt, aber ein lebenslustiger junger Mann, wie zum Beispiel ein köstliches Postskriptum voll derbem Humor aus Mannheim beweist. Nicht nur ein begnadeter Klang-, sondern auch ein beachtlicher Wortspieler. Der von der Mosel stammende Stefan Wilkening versucht erst gar nicht, schwäbisch-bairisch zu sprechen, wie dies Mozart sicher getan hat. Aber er liest die Briefe mit derart viel Liebe und Einfühlung, mit Witz und Pointierung, mit gleichsam sprechenden Pausen und kluger Gestik, dass es die reine Freude ist. Und er kommuniziert fabelhaft mit den beiden Musikern, zweimal sogar ein wenig melodramatisch.

Der Wiener Geiger Emmanuel Tjeknavorian und der Wiener Pianist Maximilian Kromer, beide Mittzwanziger, bringen in schönster Partnerschaft Mozarts Instrumente zum Klingen. Der Walter-Flügel kann den kleinen Saal wirklich erfüllen, die erst 2013 wieder aufgetauchte Violine aus der Werkstatt des Pietro Antonio Dalla Costa (um 1750, Treviso) ist ein edles Prachtstück mit innig leuchtenden, aber auch energischen Klangfarben – da rieselt einem schon heiliger Schauer über den Rücken, wenn man bedenkt, dass Mozart in Wien auf beiden Instrumenten gespielt hat. Auch wenn natürlich viel daran restauriert werden musste.

Tjeknavorian, in Salzburg kein Unbekannter mehr, ist zweifellos einer der perfektesten Techniker der jungen Geigenelite. Wesentlicher ist, dass er ein neugieriger Musiker ist, der keinen Takt lang bloß an der glänzenden Oberfläche der Sonaten bleibt, sondern die singulären Stücke tatsächlich nachempfindet. Historisch informiert, aber nie manieristisch, sondern stets mit Geist und Gefühl. Da wird in den Einzelsätzen aus KV 376, 377, 378 und 379 mitreißend spielerische Vitalität spürbar, das entsteht das fein schattierte Licht der frühen Romantik im Andantino sostenuto e cantabile der B-Dur Sonate, da verblüffen dramatische Pausen. Das es ja „Sonaten für Klavier und Violine“ sind, ist der Flügelmann Kromer alles andere als nur ein Begleiter. Herzerfrischend, wie er frische Akzente beiträgt und die Läufe fast „singend“ perlen lässt. Wundersam, wie sich ein lebendiges Mosaik aus Texten und Tönen ergibt. Am Ende steht die große Wiener Es-Dur-Sonate KV 380, gespielt mit exquisitem Gusto und ernster Nachdenklichkeit.

Wenn es einen kleinen Einwand gibt, dann diesen: Wieso darf Leopold Mozart, dessen 300. Geburtstag heuer zu begehen ist, nur indirekt zu Wort kommen? „Mozart pur“ kann was Schönes sein, Purismus ist es nicht.

Die zu Recht bejubelte Matinee ist im Tanzmeistersaal noch zweimal zu erleben, am 30. Jänner und am 2. Februar – www.mozartwoche.at
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher