Kontrapunkt gibt kontra
MOZARTWOCHE / LEVIN / LEISINGER
31/01/25 „Kontrapunkt ist etwas, um sich zu beweisen.“ Nachdem er bei Gottfried van Swieten Händel und Bach gehört hat, ist Mozart ganz anders mit der alten Kompositionstechnik umgegangen. „Er hat erkannt, welche Potenz der Kontrapunkt hat.“ Robert Levin und Ulrich Leisinger im Gespräch über Fuge, Suite und „alte“ Musik und deren Bedeutung für Mozart.
Von Heidemarie Klabacher
Mozart hat Fugen geschrieben, erinnert sei nur an Kyrie und Quam olim Abrahae im Requiem, an Ah fuggi il traditor der Donna Elvira im Don Giovanni. oder an den Schlusssatz der Jupiter-Symphonie. Er hat Stücke aus dem Wohltemperierten Klavier für Streicher gesetzt und viele Fugen-Fragmente hinterlassen.
Nun sind „Präludium und Fuge“ und „Suite“ musikalische Formen, die zur Mozartzeit im Verschwinden begriffen waren und trotzdem von Bedeutung blieben (Schostakowitsch ist nicht der einzige, der weitere Prädludien und Fugen geschrieben hat). In der Musikgeschichte – wie auch sonst überall – gibt es eben Übergänge, die sich lange Hinziehen können, und kaum einmal glatte Schnitte. Jedenfalls gäbe es ohne die Begegung mit den Werken von Händel und Bach bei den sonntäglichen Musiknachmittagen in den Amtsräumen des Präfekten der Hofbibliothek Gottfried van Swieten Mozarts Fugen und Fugen-Experimente wohl eher nicht.
Mozart hat die Alten nicht kopiert: „Das Interessante an Genies ist, dass sie nicht nachahmen, sondern aus einem Vorbild etwas Neues herausnehmen.“ Im Falle der Klaviersonate F-Dur KV 533 von 1788 sei dies besonders aufregend, sagte der Pianist und Musikwissenschaftler Robert Levin am Freitag (30.1.) beim Gesprächskonzert Händel, Bach und Mozart am Klavier im Wiener Saal: „Die Textur hat nichts mehr mit frühen Sonaten zu tun. Sie ist ein Hinweis darauf, dass Mozart sich in die Zukunft bewegte.“ Robert Levin spielte den ersten Satz Allegro – und ließ diese spektakulär zwischen Bach und (gefühlt) Beethoven changierende Mozart-Fuge virtuos aufrauschen. Nicht weniges „Altes“, an dem Mozart sich versucht hat, blieb unvollendet liegen. Robert Levin spielte die Suite C-Dur/c-Moll KV 399. Sarabande und Gigue daraus sind Fragment geblieben. Levin hat diese ergänzt: „Jede Ergänzung ist ein Versuch.“ Spannend, die radikal kurzen Fragmente und deren Ergänzungen durch den legendären Musikwissenschaflter und Pianisten direkt hintereinander zu erleben.
Von den Großmeistern Bach und Händel hätte Mozart sich eher Händel zugeneigt gefühlt, so Levin. Vom Wohltemperierten Klavier habe er sich wohl inspirieren aber auch einschüchtern lassen. Spannnend, der direkte Vergleich: Robert Levin spiele Mozarts Gigue G-Dur für Klavier KV 574 und Händels Gigue aus der Suite f-Moll HWV 433:5, „eine der skurilsten Giguen von Händel“. Mozart hat sich daran orientiert und in der temperamentvollen Lesart von Robert Levin, ist Mozart noch deutlich hopsiger dahergekommen.
Zum Abschluss des spannenden – wiewohl ausschließlich für ein kundig-informiertes Mozartwochen-Publikum geeigneten – Gesprächskonzertes spielten Robert Levin und seine Frau, die Pianistin Ya-Fei Chuang, Mozarts Fuge g-Moll für Orgel KV 401 in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen. Noch einmal spannend: Den markanten, oft beinah ein wenig martialischen Anschlag Robert Levins im vierhändigen Spiel zu einem deutlich weicheren geschmeidigen Sound abgemildert zu erleben.